Neue Finanzierungsstrategien für Musik:
Björn M. Braun (SellYourRights GmbH), Stephanie Grant (Georgia Wonder), Julian Moore (Georgia Wonder), Gerrit Schumann (Music Networx)
„Beim Musikmachen geht es gar nicht vorrangig darum, möglichst viel Geld zu verdienen sondern erst einmal darum nur anfallende Kosten zu vermeiden.“ Sagt Julian Moore. Die Lösung, die er vorschlägt, dürfte jedoch hinlänglich bekannt sein: Alben werden on demand hergestellt und ausgeliefert – also wenn sie von zukünftigen Hörern bestellt wurden. Dazu kommt noch Merchandise – also Shirts, Schlüsselbänder und ähnlicher Kram – als Weg, Geld in die Kasse des Musikers zu spülen. Außerdem könnte man sich ja sponsern lassen wie seine Band Georgia Wonder: sie haben einen Instrumenten-Ausstatter gefragt und Instrumente bekommen. Die tragen sie auf der Bühne herum: Band hat was zum Musik-drauf-machen, Laden Werbefläche. Sowas geht aber nicht für jede Band – das weiß auch Julian Moore und sagt es so. Individuelle Lösungen lassen sich nicht kopieren – müssen eben jedes Mal neu erdacht und ausgearbeitet werden.
So oder so sei Kommunikation der Schlüssel zu vielem. Meint Julian Moore. Nicht jede Idee solle man gleich verwirklichen, sondern erst einmal in Ruhe nachdenken, ob sie sich denn wirklich rentieren würde. Am Anfang stehen Musiker meist ohne irgendwas da – ohne Studio, ohne Geld um zu produzieren – dann müssten Menschen überzeugt werden das notwendige Geld zur Verfügung zu stellen. Der Hinweis, dass durch Live-Auftritte ja auch Geld reinkommen könnte, kann da auch nicht ziehen: auch für die Planung einer Tour braucht es Geld. Und um bekannter zu werden auch. (Und wenn Konzerte Geld einspielen sollen, dann muss man auch irgendwie bekannt sein. Hört sich verdammt nach Sackgasse an!)
Musiker-Sein ist zeitlich aufwendig. Egal ob nun als Profi oder im Anfangsstadium. Julian sagt, was das bedeutet: Job aufgeben und auf ein geregeltes Einkommen verzichten. Klar, das ist das ein Risiko. Aber es ist nicht zu vermeiden, wenn man es ernst meint. Noch schlimmer: um an einen der begehrten Plattendeals zu gelangen, hilft es rein gar nichts sich selbst zu bewerben, man wird durch Zufall gefunden. Aber immerhin gibt es das Internet. Es wirkt wie ein Filter, wo die guten Sachen langsam von selbst nach oben kommen und sich gegen das Mittelmaß durchsetzen.
Eine stetig treu zu einem haltende Fanbase ist dabei wichtiger als Geld. So entsteht Fame: durch treue Fans und nicht durch Reichtum. Hat man die, klopfen irgendwann auch die großen Radiostationen an. Die kleinen lokalen, also die im eigenen Dorf oder der eigenen Stadt, solle man hingegen selbst abgrasen. Ist die Musik erst einmal bei denen gelaufen, könne man zu den nächst größeren gehen. Vergesst Geld, Essen, Miete. Musik soll man nur aus der Liebe zu der Sache machen.
Auch Music Networx kümmert sich drum, wie unabhängige Künstler Geld verdienen können. Firmenvertreter Gerrit Schumann hält Live-Auftritte für den Weg, mit dem in Zukunft Musiker hauptsächlich Geld verdienen. Vielleicht lässt sich das ja ausnutzen – drum hat sich seine Firma den „Concert Stick“ ausgedacht. Ein Konzert wird aufgenommen, die Aufnahme auf einen USB-Stick gespeichert, in eine hübsche Schachtel verpackt und dann an die Fans direkt nach dem Konzert als Souvenir verkauft. So wie das ja bereits mit T-Shirts oder Kaffeetassen läuft. Die Aufnahme könnte am nächsten Tag auch im Internet erworben werden: der Künstler bekommt eine kleine eigene Seite, die er auf sozialen Netzwerken wie myspace oder facebook verlinken oder einbinden kann. Die Firma behält einen Anteil des Verkaufspreises für sich. Eine Geschäftsidee mit Hindernissen: Videos funktionieren nicht, weil technisch zu aufwendig. Mit elektronischer Musik wurde die Idee noch nicht ausgetestet. Noch schwieriger wiegen juristische Unwägbarkeiten: das Problem ist, dass die Verbreitungsrechte automatisch bei Music Networx liegen und ein Live Act nachweisen müsste, dass er alle Samples während seines Auftritts auch nutzen darf. Das schnell abzuklären, dürfte sich für Musik im elektronischen Bereich kaum rentieren. Labels gehen nicht genug auf Geschäftsmodelle ein wie das seiner Firma, kritisiert Gerrit Schumann. Sie befürchten weniger Gewinne – „Quatsch“ meint er und führt als Referenzen Konzerte von den Ärzten, BAP, Den Fantastischen Vier und Simply Red an, bei denen sich gezeigt hätte, dass die Fans seine Produkte annehmen. Alles große Bands, räumte er ein – mit einer großen Fanbase. Für „kleinere“ Künstler oder Bands wird’s wohl eher unwirtschaftlich sein, schließlich hat so ein USB-Stick einen Stückpreis von immerhin 20 Euro.
Noch eine weitere Idee: SellYourRights. So heißt das Produkt von Björn Braun. Ein Musiker lädt seine Musik auf die Webseite SellYourRights auf eine Mikroseite und kann diese über soziale Netzwerke bekannt machen. Dort packt er ein Preview zu Musik, welche er veröffentlichen möchte – und wenn ausreichend Freunde, Bekannte und Bekannte von Bekannten aus den Netzwerken versprochen haben, einen Betrag zu entrichten, wird die Musik unter einer Creative Commons-Lizenz veröffentlicht. Im Buchgeschäft nennt sich das Subskription. Björn Braun stellt sich vor, dass Musiker vorab Geld für die Produktion ihrer Lieder auftreiben könnten, wenn sie genug Menschen mit einer Songskizze überzeugen. Hört sich erstmal ganz gut an, aber Fragen bleiben offen. Warum sollten Künstler nicht einfach einen Spenden-Button auf ihre Myspace und Facebook-Profile einfügen, um so die Gebühren zu umgehen, die natürlich auch SellYourRights als Marge von jedem Künstler einzieht? Das mit den Spenden funktioniert nicht, meint Björn Braun, weil es ein Mangel an Vertrauen gibt: SellYourRight ist dagegen ein Treuhänder (ähnlich wie Paypal) und stellt sicher, dass das Geld erst dann eingezogen wird, wenn auch das versprochene Produkt existiert. Kleiner Schönheitsfehler: gerade bei der Produktion einer vorgestellten Skizze könnten die zugesagten Beträge nicht verwendet werden, die Orchestermiete müsste also vorgestreckt werden.
Fazit: Vergesst Geld, Essen, Miete! Auch die neuen Geschäftsideen werden nicht dafür sorgen können, dass die Newcomer mit Musik ihren Lebensunterhalt verdienen können.