Im Kino: Unbelehrbar

Über 4 Millionen Menschen in Deutschland können nicht lesen und schreiben, wissen wir aus einem ziemlich bekannter Werbespot. In ihrem Film „Unbelehrbar“ erzählt die Regisseurin Anke Hentschel von einer Frau, die mit 40 lesen und schreiben lernen möchte – ein einfühlsames Drama mit schlaffem Handlungsbogen.

UNBELEHRBAR_Standfoto_CMYK

Ellen ist 40 und lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in einem Städtchen in der brandenburgischen Provinz. Dort arbeitet sie als Hilfskraft in einer Großküche. Weil sie nicht richtig lesen und schreiben kann, muss sie wieder einmal eine wichtige Weiterbildung sausen lassen. Doch dieses eine Mal entschließt sie sich den Versuch zu wagen, ihr Handicap zu überwinden. Doch ein Lesekurs wird in ihrem Heimatort nicht angeboten. So muss sie den Sprung nach Berlin wagen, wo sie nicht nur die Bedeutung von Buchstaben, sondern auch Unabhängigkeit und Freiheit kennenlernt.

Das gesellschaftliche Problem Analphabetismus ist für den Film „Unbelehrbar“ Aufhänger für die Emanzipationsgeschichte einer Frau, die durch ihr Handicap eine Außenseiterin in ihrer vertrauten Umgebung ist. Ihre Familie bevormundet sie und behandelt sie wie ein Blödchen. Besonders ihr Ehemann möchte sie am liebsten gar nicht nach Berlin fortlassen – für ihn ist nicht klar, warum sich etwas an der Situation ändern soll. Ellens Rebellion gegen diese Antriebslosigkeit führt in eine Art zweite Pubertät, in der sie naiv-kindlich das große, fremde und aufregende Berlin erkundet, eine Stadt, die im Film ausschließlich von freundlichen, vertrauenswürdigen und hilfsbereiten Menschen bevölkert ist. Das ist anfangs niedlich anzusehen, doch auf Dauer nervt Ellens dauergrinsende, kindliche Zurückhaltung. Und obwohl die Handlung auf ein klares Ziel hinsteuert, fühlt man sich manchmal als Zuschauer einfach etwas hängen gelassen. Scheitert Ellen und kehrt zurück in das von deprimierenden Sachzwängen bestimmte Leben in der Kleinstadt – oder wird sie sich emanzipieren? Richtige Spannung kommt da nicht so recht auf.

So bleibt „Unbelehrbar“ ein kleines, schön fotografiertes Drama über Emanzipation. Manchmal etwas karussellartig montiert, ist es ein Coming-of-Age-Film einer Protagonistin im besten Alter – für jüngere Zuschauer fehlen dem ganzen jedoch die entscheidenden Spritzer Jugendlichkeit und Identifikation.

Unbelehrbar„, Deutschland/Israel 2011, 96 min., Drama ab dem 28. März unter anderem im fsk-Kino am Oranienplatz, Segitzdamm 2, Berlin-Kreuzberg, U-Bahn: Kottbusser Tor, Moritzplatz und im Hackesche Höfe Kino, Rosenthaler Straße 40/41, Berlin-Mitte, S-Bahn: Hackescher Markt 

Höre hier die Audiorezension zu „Unbelehrbar“

(Bild: Front Film)