Nach Norden also soll es gehen. Gemeinhin gilt der Norden ja als Symbol für innere Einkehr, Entfernung von der Welt, Auskosten der Einsamkeit. Dass Simon „Bonobo“ Green sein neues Album „The North Borders“ nennt, lässt also aufhorchen. Insbesondere wenn man bedenkt, dass der Vorgänger mit „Black Sands“ betitelt war, also einer Ortsbeschreibung, die auf Strände vulkanischen Ursprungs schließen lässt. Und die findet man eher im Süden, lässt man das wunderliche Island mal außer Acht.
Ist Bonobos fünftes Studioalbum (die zahlreichen EPs, Mixes und Live-Alben nicht mitgezählt) also ruhiger, introvertierter, vielleicht sogar: kühler geworden? Das nicht. Vielmehr scheint „The North Borders“ sowohl formal als auch musikalisch einen Zwilling mit „Black Sands“ zu bilden. Die Klangfarbe der 13 neuen Tracks von 2013 erinnert stark an das stilprägende Album von 2010. Bonobos Arbeitsmaterial sind auch dieses Mal analog eingespielte Jazzinstrumente, detailverliebte Beats aus warmen, selbstgemachten Schlagzeugsamples sowie weichgekochte Soulstimmen von Gastsängern wie Erykah Badu oder Grey Reverend.
Anders und eventuell „nördlicher“ mag am neuen Album vielleicht sein, dass es einheitlicher klingt; die Stücke stehen stilistisch enger beieinander, wir hören mehr gleichmäßigen Nadel- als bunt durchwachsenen Mischwald. „Kohärenz“ nennt die Plattenfirma das, inneren Zusammenhang, man könnte aber auch sagen: Eintönigkeit. Denn mit der erneuten Variation seines unverwechselbar organischen und unbestreitbar zeitlosen Klangs bleibt Bonobo seiner Linie und somit seinem erfolgreichen Markenzeichen treu. Damit bietet er seinen Hörern bloß keinerlei Überraschungen an.
Natürlich sind die neuen Stücke wie immer erstklassig arrangiert und produziert, doch ist einfach weniger von Weiterentwicklung zu hören als von Ausreifung oder gar Stagnation. Wer das mit den eigenen Erwartungen an Bonobo vereinbaren kann, darf beherzt zugreifen und dabei das Online-Leak links liegen lassen, das zu einer vorgezogenen Veröffentlichung des Albums geführt hat. Schließlich ist „The North Borders“ immer noch eine schöne Platte geworden, für Abende im Ohrensessel geeignet, wenn Kaminfeuer und Tabakpfeife traulich knistern. Und es ist auch genau die Platte geworden, die man auflegt, wenn „Black Sands“ durchgelaufen ist.
Tracklist:
- First Fires (featuring Grey Reverend)
- Emkay
- Cirrus
- Heaven For The Sinner (featuring Erykah Badu)
- Sapphire
- Jets
- Towers (featuring Szjerdene)
- Don’t Wait
- Know You
- Antenna
- Ten Tigers
- Transits (featuring Szjerdene)
- Pieces (featuring Cornelia)