Ungefähr acht Jahre ist es her, da lernten sich Timo Alterauge und Thomas Hack über ein von Hack betriebenes Online-Musikmagazin kennen. Und da sie eh schon auf derselben musikalischen Wellenlänge schwammen und zudem noch voller Tatendrang waren, fingen sie 2005 damit an, im Raum Köln Konzerte zu veranstalten. Die wurden zwar eher „schlecht besucht“, wie sich Alterauge im BLN.FM-Interview mit einem Lachen erinnert. Dies tat dem Tatendrang der beiden aber keinen Abbruch. 2006 veröffentlichten sie ein paar erste CDs und Singles im 7″-Format – das Label Denovali war geboren, welches mittlerweile auf gut 160 Releases zurückblickt.
Ein Label als Patchworkfamilie
Zwar finden sich unter den ersten Katalognummern vor allem Namen von Post-Hardcore-Bands, jedoch haben Alterauge und Hack bis dato teilweise grundverschiedene Sparten abgedeckt. Da drängt sich die Frage auf, welches System denn eigentlich hinter den ganzen Stilbrüchen steckt. „Das einzige Kriterium ist eigentlich der subjektive Qualitätsanspruch von Thomas und mir. Genregrenzen und Szenen interessieren uns überhaupt nicht. Für uns steht vor allem die Kunst im Mittelpunkt „, erklärt Alterauge nüchtern. „Andere Elemente, die vielleicht für größere Labels von Bedeutung sind wie Verkaufbarkeit (…) interessieren uns eigentlich nicht.“ Das spiegelt sich allein schon im dem Label angeschlossenen Mailorder wieder, der von Techno über Black Metal bis Noise eine eklektizistische, handverlesene Bandbreite abdeckt.
Der Labelroster sieht ähnlich bunt aus: Instrumentaler Post-Metal à la Lento, düstere Electronica der Marke Saffronkeira, schillernder Ambient vom Bersarin Quartett und Field Rotation, eingängige Klavierstücke von Carlos Cipa, soundtrackartige Klänge wie von Les Fragments De La Nuit, die auf den stimmungsvollen Zeitlupenjazz von The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble und Dale Cooper Quartet And The Dictaphones treffen – sie alle veröffentlichen auf Denovali. Das Label als eine Art Patchworkfamilie – schwer zu überschauen, mit einer ganzen Fülle von hyperaktiven Mitgliedern, die alle ganz unterschiedlich drauf sind. Verwirrung scheint dieser wilde Mix bei den Hörern nicht zu stiften, denn sonst hätte sich Denovali keine dermaßen treue Fanbase aufbauen können. Die ist schwierig zu umreißen: Auf Konzerten der labeleigenen Acts steht zwischen dem Punk und der Kunststudentin schon mal ein gesitteter Endvierziger und lauscht einer düsteren Jazz-Performance.
Das „Swingfest“
Das labeleigene Festival riefen Alterauge und Hack schon 2007, also recht früh nach Gründung des Labels, ins Leben – aus ganz banalen Gründen: „Andere Festivals wollten unsere Künstler nicht buchen, dementsprechend haben wir ein eigenes gegründet“, erinnert sich Alterauge mit einem Grinsen. Was nach einer Verzweiflungstat klingt, entwickelte sich zu einem erfolgreichen Projekt: Nach fünf Veranstaltungen in Essen – mit immer größeren Acts wie das Moritz von Oswald Trio, Sunn O))) und A Winged Victory For The Sullen – expandiert das Swingfest nun nach Berlin und sogar London. Das Prinzip ist dabei dasselbe: Labelkünstler treffen auf ausgewählte Gäste. In Berlin sind das unter anderem der kanadische Drone-Künstler Tim Hecker und der einflussreiche Electronica-Held Ulrich Schnauss. Aber, äh – wo ist da der Swing? Alterauge erklärt: „Die Stichworte ‚Swing‘ und ‚experimentell‘ eignen sich ganz gut dazu, die Leute zu verwirren und mit Erwartungshaltungen zu spielen. Generell aber bietet das Swingfest Möglichkeiten für Liebhaber verschiedenster Musikbereiche. Wir unterscheiden definitiv nicht zwischen E- und U-Musik.“
https://soundcloud.com/denovali/denovali-swingfest-2013-london
Die Künstler zuerst
Auch was die Zusammenarbeit mit ihren Acts anbelangt, sind die Prioritäten klar gesteckt: „Das Verhältnis sollte vom gegenseitigen Respekt geprägt sein“, betont Alterauge. Der geht von Labelseite so weit, dass sie auch finanziell zurücktreten. Wenn die Kosten gedeckt sind, wird zuerst an die Bands gedacht: „Wir haben Künstler an Bord, die von ihrer Musik und Kunst ihren Lebensunterhalt bestreiten wollen. Dementsprechend sollte unsere Aufgabe schon sein, ihnen möglichst gute Strukturen bereitzustellen, um weiterhin dieses Ziel zu verfolgen und zu erreichen“, erklärt Alterauge und schiebt mit einem Lachen hinterher: „Wenn es bei uns in irgendeiner Weise um finanzielle Aspekte gehen würde, dann säße ich jetzt mit David Guetta auf Ibiza“. Über all den Ehrgeiz haben die beiden ihre Leidenschaft nicht über Bord geworfen. Im Gegenteil: Sie wollen randständiger Musik ein Forum bieten, Rentabilität hin oder her. Dazu gehören auch Neuauflagen von Alben, die bisher entweder unter dem Radar flogen oder nur auf CD erhältlich sind. Demnächst erscheint beispielsweise das Debüt von Piano Interrupted auf Denovali neu – auf sattem 180-Gramm-Vinyl in verschiedenen Farben, versteht sich.
In Sachen Artwork, das für Alterauge und Hack mehr als nur Beiwerk zum eigentlichen Kunstwerk ist, legen sie allerdings gerne selbst Hand an. Natürlich nur, wenn am Ende alle Parteien mit dem Ergebnis zufrieden sind. Das Entgegenkommen zahlt sich aus: Wer einmal bei Denovali anheuert, der bleibt dem Label auch meistens treu. Die britischen Post-Rocker Blueneck zum Beispiel haben ihre Alben ausschließlich dort veröffentlicht und auch neu dazugestoßene Künstler wie der hoch gehandelte Drone-Metaller Oneirogen scheinen in Alterauge und Hack die perfekten Partner gefunden zu haben. Denovali Records hat mit Alterauge und Hack zwei Familienoberhäupter, die an ihre Zöglinge glauben und hart dafür arbeiten, damit aus ihnen etwas wird.
Das BLN.FM-Interview mit Timo Alterauge von Denovali Records zum Nachhören:
https://soundcloud.com/bln-fm-im-fokus/im-fokus-labelcheck-interview?in=bln-fm-im-fokus/sets/im-fokus