Nach der Bio-Schwemme der letzten Jahre setzt der frühere Automobilmanager Jan Bredack nun auf einen neuen Trend: Zentral in der Berliner Innenstadt eröffnet er eine vegane Supermarkt-Kette. Ist „vegan“ der neue Trendsport?
„Mit der stimmt irgendwas nicht“, ist sich Jan Bredack sicher, als er vor ein paar Jahren seine heutige Lebenspartnerin kennenlernt, die sich ihm als bekennende Vegetarierin vorstellt. „Vegetarier waren für mich Spinner und Extremisten.“ Eine bewusste Ernährung war für ihn kein Thema. Gegessen wurde, was auf den Tisch kam. Schnell und billig sollte es sein. Am liebsten Döner vom Imbiss um die Ecke. Oft fehlte ihm auch die Zeit, denn als Familienvater, Leistungssportler und Manager eines internationalen Automobilkonzerns führte Jan Bredack ein Leben auf der Überholspur. Dann bricht er zusammen. Der Burnout sollte der Wendepunkt in seinem Leben werden. „Dieser Einschnitt hat sicherlich die Basis dafür gelegt, dass ich mich überhaupt bestimmten Themen geöffnet habe.“ Bredack will sein Leben entschleunigen. Er will bewusster und selbstbestimmter leben und beginnt sich vegetarisch zu ernähren. Als er merkt, dass ihm das gut tut, geht er noch einen Schritt weiter und wird Veganer. Zum Frühstück ein grüner Smoothie, Rohkostcracker und abends ein Salat. Doch vor sechs Jahren ist die vegane Szene noch relativ klein. Schnell sieht der Manager Bredack beim Blick in den Einkaufskorb die Marktlücke. Was folgt, ist eine Geschäftsidee, die sich binnen kürzester Zeit vom Startup zum erfolgreich expandierenden Geschäft entwickelt: Ein Supermarkt, in dem es ausschließlich vegane Lebensmittel zu kaufen gibt. Bei „Veganz“ sind tierische Produkte absolut tabu. Das gilt für den Schokopudding ebenso wie für das Duschgel.
Nach Lebensmittelskandalen haben immer weniger Lust auf Fleisch
In der veganen Showküche, unmittelbar neben seinem Supermarkt im Prenzlauer Berg, schaut Jan Bredack retrospektiv auf dieses Leben vor dem Zusammenbruch, als habe er es selbst nie geführt. Zu weit weg scheint das gehetzte Leben als Karrieremensch. Zu sehr sei er mit sich und seinem Körper heute im Einklang, als hätte es nie anders sein können. Im Hintergrund surrt monoton ein XXL-Kühlschrank, in den polierten Arbeitsflächen aus Glas spiegelt sich die Straßenbeleuchtung, die durch das Fenster fällt und von der schicken Sitzgruppe in Mintfarbe hat man einen weiten Blick auf den lebendigen Bürgersteig. „Wir lieben Leben“ steht auf grüner Klebefolie im Fenster geschrieben. Bredack nippt kurz an seinem heißen Orangensaft und lehnt sich zurück: „In drei Wochen eröffnen wir unsere dritte Filiale in Friedrichshain. Weiter geht es in Hamburg und Leipzig.“ Dass der Veganismus so boomt, ist für den 41-Jährigen auch eine Konsequenz aus den jüngsten Lebensmittelskandalen. Die Menschen sind verunsichert, was sie überhaupt noch bedenkenlos essen können. Bei vielen verschwindet Fleisch deshalb mittlerweile ganz von der Einkaufsliste. Und auch die Zahl der Veganer steigt. Wie Bredack leben in Deutschland rund 600 000 Menschen nicht nur fleischlos, sondern verzichten bei Lebensmitteln und Kosmetik komplett auf tierische Inhaltsstoffe.
Reicht es nicht aus, sich fleischlos zu ernähren? Für Gründer Jan Bredack steht fest, „dass das Glas Milch nicht von der Kuh kommt, weil sie auf der Wiese steht und Gras frisst, sondern da viel mehr dran hängt. Stichpunkt Massentierhaltung.” Unterm Strich ist die vegane Ernährung, so rechnet es die Tierschutzorganisation Peta vor, durch das Einsparen der Unmengen an Wasser, Nahrung und Treibhausgase für die Massentierhaltung, um ein vielfaches umweltschonender. „Komplett auf Tierprodukte zu verzichten ist deshalb ethisch nur konsequent“, findet Bredack. In Zeiten der globalen Erwärmung und Ressourcenknappheit müsse das Thema Umweltschutz mittlerweile auf dem eigenen Teller beginnen.
Als „Healty Food“ erobert Veganismus die konsumfreudige Mittelschicht
Vegan ist Trend. Das Image von extremistischen Hippies in Jesus-Latschen, die den ganzen Tag an Möhren knabbern, ist längst obsolet. Wer sich vegan ernährt, will nicht verzichten. Deshalb suchen Bredack und seine Mitarbeiter in der ganzen Welt nach neuen Lieferanten um ihr veganes Angebot zu erweitern. Die meisten Firmen produzieren in Nordamerika, viele davon an der Westküste, wo „Healthy Food“ in den letzten Jahren besonders angesagt ist. 6000 Produkte, davon allein 45 Milchsorten auf Pflanzenbasis, liegen deshalb in den Regalen von Bredacks Supermarkt.
„Veganismus ist keine Ernährungs-, sondern eine Lebensweise“, behauptet Geschäftsführer Bredack. Seine Hauptzielgruppe ist 18-34 Jahre alt, 65% davon sind Frauen. Dennoch betont Bredack, dass es ihm nicht um Schickimicki-Veganismus als Lifestyle geht, den sich nur Besserverdienende leisten können. Unter seinen Kunden hat er viele Studierende ohne Managergehalt ausgemacht, auch wenn die Produkte im Durchschnitt deutlich teurer sind als im Discounter um die Ecke. Die höheren Preise seien nur folgerichtig. „Wenn Lebensmittel billig sind, hat zwischendrin irgendjemand verloren.“ Schokolade für 49 Cent sei Ausdruck einer ökonomischen Schieflage. In seinem Supermarkt werden deshalb nur Fairtrade-Produkte angeboten. Das schlägt auf den Preis, ist aber realistisch und „gibt uns wieder ein Gefühl dafür, was Lebensmittel wert sind.“
Kapitalistischer Expansionskurs als emanzipatorischer Motor
Nicht allen schmeckt der Expansionskurs, den der Unternehmer mit seiner Supermarkt-Kette fährt. „Kapitalist“, „will nur Geld machen“, heißt es in einigen Interforen, gefolgt von Boykott-Aufrufen. Bredack beirrt das nicht. „Die haben es nicht verstanden“. Schließlich gehe es darum, die vegane Ernährung einer breiten Masse zugänglich zu machen. „Da bringt es nichts, wenn ich diese Masse verurteile und mich dann dadurch isoliere und abgrenze.“
(Foto oben: Sophie Bengelsdorf für Bln.Fm, Foto unten: Veganz)