Ralph Schulz: Ist das Kunst oder kann das weg?

Ralph Schulz beim Studioaufbau, Essen, 2011
Ralph Schulz beim Studioaufbau, Essen, 2011

Aus Müll große Kunst zu produzieren ist keineswegs neu. Zeitgenössische Künstler wie Tony Cragg, der in seinen Wandzeichnungen den Raum zwischen den Umrisslinien mit Plastikmüll ausfüllt, zeigen, dass auch scheinbar Nutzloses eine eigene ästhetische Qualität besitzt. Ganz neu erfindet Ralph Schulz das Rad also nicht, wenn er in einem Sperrmüllhaufen das Potenzial für seine künstlerischen Fotografien sieht.  In pavlov’s dog – Raum für Fotografie läuft bis zum 6. April die erste Einzelausstellung des Fotografen, in der vier von sechs Fotografien seiner Serie „Rekonstruktion unbekannter Interieurs“ zu sehen sind.

Doch die Herangehensweise von Ralph Schulz unterscheidet sich von vielen anderen Arbeiten, die sonst aus der „hohen Kunst des Müllsammelns“ hervorgegangen sind. Er sammelt Müll und baut ihn wieder zusammen. So entsteht in seinem Atelier ein nicht mehr existenter Raum. Anhand dessen, was er aufbaut, kann man sich ein Bild von dem Menschen machen, der den Raum früher einmal bewohnt haben könnte.

Jugendzimmer
Sperrmüllhaufen: Bornstraße 02.11.2010

Zwei Jahre lang sammelt Schulz in der Ruhr-Metropole Essen Sperrmüll von den Straßen. Jeder abgebildete Raum ist nur aus einem einzigen Sperrmüllhaufen rekonstruiert. Nichts wurde gemischt oder dazugestellt. Um einen glaubwürdigen Raum mit entsprechender Atmosphäre zu schaffen, hat der Fotograf nur mit Leuchtquellen gearbeitet, die ebenfalls im Sperrmüll enthalten waren. Dabei entsteht die theoretische Möglichkeit, dass die Nachbauten im Atelier nicht weit von dem sind, wie die Möbel einmal tatsächlich kombiniert waren. So entsteht ein verwirrender Wirklichkeitsbezug. Die erfundene Hinterlassenschaft bildet so glaubhaft das intimste Umfeld einer unbekannten Person ab. Den Betrachtenden kann das Gefühl beschleichen, unerlaubt in die Privatsphäre eines Fremden eingedrungen zu sein. Ein Gefühl, das auch entsteht, wenn man die privaten Bildern Fremder auf Facebook betrachtet. Diese Lust am voyeuristischen Einblick in fremde Leben ist ein Faktor, der die sozialen Netzwerke kommerziell erfolgreich macht.

Ralph
Endergebnis: Bornstraße 02.11.2010

Für die ausgestellten Bilder wurde Ralph Schulz im vergangenen Herbst von der Jury des Europäischen Monats der Fotografie Berlins ausgezeichnet. Die Jury begründete ihre Entscheidung mit der „Originalität der künstlerischen Konzeption, der Transformation von Skulptur und Installation in das Medium Fotografie sowie der gesellschaftlichen Dimension des Werks“.

pavlov’s dog – Raum für Fotografie, Bergstrasse 19, Berlin-Mitte, U-Bahn: Rosenthaler Platz / Nordbahnhof, geöffnet ist Don­ners­tag bis Sonn­tag von 16 bis 20 Uhr und nach Ver­ein­ba­rung, der Ein­tritt ist frei.

(Fotos: Ralph Schulz. Mit freundlicher Genehmigung von pavlov’s dog)