Moment mal, Matmos – das sind doch die von Björk damals? Gut, fallen wir gleich mit der Tür ins Haus, auch wenn schon etwas Lack von ihr abgeblättert ist. In der Tat haben die beiden Amerikaner Martin Schmidt und Drew Daniel alias Matmos an mehreren Tracks auf Björks Album „Vespertine“ mitgearbeitet. Man hört es an den vertrackten Beats, die damals, 2001, als besondere Qualität hervorgehoben wurden und sich Zeitlosigkeit bewahrt haben.
Auch das neue Album aus Baltimore – „The Marriage Of True Minds“ – wartet mit zünftigen Experimentalrhythmen auf. Gleich der erste Track „You“ klingt sehr nach Matmos: melancholisches Piano, getragener Bass, obskure Sprachsamples, reichlich Gebritzel und Geklicker. „Vespertine“ lässt grüßen. Auch „Medúlla„, das andere Björk-Album, an dem Matmos beteiligt waren, schimmert beim zweiten Track „Very Large Green Triangles“ durch. Sonore Männer- und dramatische Frauenstimmen, die zerschnitten und zum Gewebe des Stücks gemacht werden – das kennen wir doch aus Reykjavík.
Auf „Marriage Of True Minds“ treiben Matmos das Spiel allerdings weiter, Noise-Versatzstücke kommen hinzu, die Samples werden mit jedem Track wilder, die Kompositionen verspulter. Bei „Mental Radio“ etwa mündet ein Triangel-Solo in ein dissonantes Instrumentenchaos, beim darauffolgenden „Ross Transcript“ versteht man eigentlich gar nicht mehr, was los ist. Und bei „Tunnel“ wird der Hörer erst mit grell dröhnenden Synthies überrollt und anschließend Zeuge, wie die Klangmauer zerbröselt. Am Ende hustet jemand von dem ganzen Staub. Später gibt es noch ein mitgeschnittenes Referat über ein oft unterschätztes Instrument und mit dem vorletzten Stück „Aetheric Vehicle“ bieten Matmos das Gefährt für einen psychedelischen Ausflug, das seinem klangvollen Namen alle Ehre macht.
Das Gute an alldem ist, dass man Matmos die Spielfreude durchweg anhört. Sie strotzen vor kauzigen Ideen und haben weder Scheu noch Mühe, diese auch kompromisslos umzusetzen. Schwierig mag für manchen jedoch sein, dass das Album damit Stück für Stück nicht nur komplexer, sondern auch unzugänglicher wird. Matmos ist das egal. Sie beschließen ihr neues, neuntes Studioalbum mit minutenlangem hässlichen Grunzen, das nach einem Chor aus Orks oder Klingonen klingt. Sie leitet in eine gegen den Rest des Albums geradezu phantasielos wirkende Coverversion des Buzzcocks-Songs „E.S.P.“ über. Matmos können sich so etwas leisten, nach fünfzehn Jahren in der Avantgarde. Und wer mal eng mit Björk gearbeitet hat, ist ohnehin über das meiste erhaben.
https://soundcloud.com/experimedia/matmos-the-marriage-of-true
Tracklist:
- You
- Very Large Green Triangles
- Mental Radio
- Ross Transcript
- Teen Paranormal Romance
- Tunnel
- In Search of A Lost Faculty
- Aetheric Vehicle
- E.S.P.