Bürgerkrieg im Stattbad Wedding

Lachende Kinder vor der Kamera des Fotografen Bo Niehaus (Just) in der Ausstellung "Letters from Aleppo" in der Open Walls Gallery im Stattbad Wedding.

Das bedrohliche Rattern schwerer Maschinengewehre prasselt unaufhörlich im Hintergrund. Unter den Füßen knirschen Reste vom Schutt der bröckelnden Wände. Es ist das Grauen des Bürgerkriegs in Syrien, das in der Ausstellung “Letters from Aleppo” in der Open Walls Gallery auf 20 großformatigen Bilder, in Texten und mit Tonaufnahmen erfahrbar wird. Fotograf Bo Niehaus bringt in den ruinenartigen Räumen des halb abgerissenen Stattbad Wedding Horror und Todesangst, aber auch Hoffnung und Überlebenswille nahe.

 Auge in Auge mit dem Tod

Als Just ist Bo Niehaus meist in der Berliner Streetart-Szene unterwegs. Er hinterlässt nicht nur Tags, sondern dokumentiert als Fotograf seit Jahren die Szene am Rande der Illegalität. Mit dem befreundeten Kollegen Thomas Rasloff ließ er sich nach Syrien schmuggeln und fotografierte insgesamt fünf Tage lang im Krisengebiet. „Im Vorfeld hatte ich große Angst dorthin zu gehen, aber es war eine diffuse Angst, weil ich nicht genau wusste, was mich erwartete. Einmal dort, bestand die ständige Gefahr von einer Rakete getroffen oder erschossen zu werden“, sagt Bo Niehaus. Einige Male wurde es durchaus brenzlig, als zum Beispiel eine Bombe nur wenige Meter von ihm einschlug. “Da fühlt man diese massive Gewalt der Waffen, der Kugeln, des Granatfeuers und der Flugzeuge, die uns von oben bombardierten. Da schaut man dem Tod wirklich ins Auge. Und das ist etwas, was ich noch nie zuvor gespürt habe”, erinnert er sich.

 

Zerbombter Krankenwagen mit Gruppe von Männern und Jugendlichen (Foto: Bo Niehaus)
Gezielte Angriffe auf huma­ni­täre Ein­rich­tun­gen und Fahr­zeuge sind keine Sel­ten­heit. Zerbombter Krankenwagen in Aleppo, Syrien. (Foto: Bo Niehaus)

Die wachsamen Augen der syrischen Armee und der Rebellen begleiteten Bo Niehaus bei seiner Reise. Doch es gelang ihn auf geheimen Pfaden bis an die Front zu schleichen, in Gefängnissen und Krankenhäusern zu fotografieren. “Das Erschreckendste was ich gesehen habe, war als wir zu einer verlassenen psychiatrischen Anstalt gefahren sind. Alle Krankenschwestern und Ärzte waren schon vor Monaten geflohen und die 60 Patienten lebten allein.”

Kriegsbilder ohne Sensationalismus

Zwei Syrierinnen gehen neben Müllbergen auf den Straßen von Aleppo
Müllberge in Aleppo. Die öffentliche Infrastruktur ist zusammengebrochen. (Foto: Bo Niehaus)

Bo Niehaus ist keiner der routinierten Journalisten, die häufig das Bild vom Krieg in den Medien bestimmen. Er zeigt keine verletzten Soldaten, sterbende Kinder oder weinende Frauen. Stattdessen geben seine Fotos einen persönlichen Einblick in das Leben derer, die vom Tod umringt sind. Horror und Zerstörung werden offenbar, auch ohne dass auch nur eine einzige Leiche oder Verwundete zu sehen sind. Stattdessen dokumentiert er Menschen, die versuchen trotz Lebensmittel- und Ressourcenknappheit zu überleben. Verfall und Misere stehen im Gegensatz zu den gelassenen Gesichtern der Erwachsenen und dem freundlichen Lächeln der Kinder. Inmitten von Schutt und Müllbergen schafft es Bo Niehaus den Menschen nahe zu kommen. So können sich auch Ausstellungsbesucher im Berliner Stattbad in die Hilflosigkeit der Bewohner einer zerschossenen syrischen Stadt 3000 Kilometer entfernt einfühlen, ganz ohne plakativen Sensationalismus.

„Letters from Aleppo” bis Samstag, 2.3.2013, Open Walls Gallery/Stattbad Wedding, Öffnungs­zei­ten: Do-Sa 17-23 Uhr Uhr, Ein­tritt: 3 €

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