Bei Künstler Keiichi Tanaami hat japanische Pop Art einiges mit „poppen“ zu tun. Plakativer Sex findet sich in vielen Werken des ehemaligen Art Directors der japanischen „Playboy“-Ausgabe. Jetzt ist Tanaami mit „No More War“ erstmals eine komplette Ausstellung außerhalb Japans gewidmet. Noch bis zum 3. März 2013 werden im Schinkel Pavillon in Berlin-Mitte die Exponate eines der bedeutendsten internationalen Vertreter der Pop Art zu sehen sein.
Zwischen Penisskulpturen und sechs Animationsfilmen mit sexuellen Motiven zeigt die Ausstellung auch bislang unbekannte grellbunte Holzschnitt-Skulpturen. In den Fantasiegebilden verbindet Tanaami scheinbar widersprüchliche Dinge miteinander. So ergänzt er eine Tierskulptur mit architektonischen Elementen – und lässt so ein Tempel in Form eines Elefanten entstehen. Das Objekt haben japanische Handwerkern angefertigt. In ihrer grellen Farbigkeit stehen sie im Kontrast zu der zurückgenommenen DDR-Architektur des Schinkel Pavillons. In dessen neoklassizistischen Ambiente wirken die Werke wie ein Suchbild. Was gehört hier nicht rein?
Eine ähnlich irritierende Wirkung hat die Gegenüberstellung bunter Animationen mit Bildern von Tanaamis eigener Familie in den ausgestellten Videofilmen. Wie andere Pop Art-Künstler wählt Tanaami die Motive für seine Arbeiten aus der Alltagskultur, der Welt des Konsums und der Massenmedien. Daraus entsteht ein skurriler und psychedelischer Bildermix. Der Mann aus dem Mutterland von Manga und Anime unterlegt ihn mit eingängigen amerikanischen Pop-Melodien, die er experimentell verfremdet. Diese Herangehensweise erinnert an Jimi Hendrix‘ Interpretation der US-amerikanischen Nationalhymne in Woodstock. Es ist Tanaakis Art Stellung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen zu beziehen.
Warum fliegen in den Animationen phallusförmige Bomben auf Ärsche, unterlegt mit verstörenden Klängen? Als Kind von 9 Jahren erlebte Keiichi Tanaami die Bombardierung Tokios am Ende des Zweiten Weltkriegs. In den 1960ern, der Ära der sexuellen Befreiung und des Drogenrausches, reiste er als Kunststudent in die USA. Die erfolgreichen Arbeiten Andy Warhols inspirierten ihn. Dieser „culture clash“ aus amerikanischer und japanischen Popkultur, in Kombination mit einer Form des Kriegstraumata aus Kindheitstagen, beeinflussten Keiichi Tanaamis kreativen Schaffensprozess. Seine provzierenden Kunstwerke sind noch bis zum 3. März in Berlin zu sehen.
Schinkel Pavillon, Oberwallstr. 1, Berlin-Mitte, U-Bahn: Hausvogteiplatz, geöffnet ist Donnerstag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung, der Eintritt ist gratis.
(Fotos: Jessica Schmidt)