„Krieg und Frieden (Music for Theatre)“ heißt das neue Machwerk von Apparat, dessen Titel bereits einiges darüber verrät: Es handelt sich hier nämlich nicht um ein klassisches „Album“ des Berliner Künstlers, sondern um Studioversionen von Musikstücken, die während einer Kollaboration Apparats mit dem Theaterregisseur Sebastian Hartmann entstanden sind. Zu dessen epischer Bühnenfassung von Lew Tolstois Jahrhundertroman hat der Berliner Produzent im vergangenen Jahr die Musik produziert. „Musik fürs Theater“ also, ganz nüchtern ausgedrückt.
Hilfreich ist es zu wissen, dass Hartmann mit seiner Adaption nicht penibel der komplexen Handlung des Klassikers folgen wollte, sondern einzelne Themenkomplexe herausarbeitet und die metaphysische Schwere des Titels so gewissermaßen atomisiert darstellt. So finden sich dann auch im Soundtrack die musikalischen Umreißungen der einzelnen Komplexe, die hier als philosophisch aufgeladene Abstrakta wie „Tod“, „Light On“ oder „Blank Page“ Einzug halten. Musikalisch klingt das ganze nach vornehmer und überlegter Auseinandersetzung. Dunkel ausladend und melancholisch vermittelt Apparat das Aufkommen des bevorstehenden Sturms, in dichten Postrock-Atmosphären segeln Streicher und Gitarren durch die Gegend. Selten, aber dann umso intimer tritt die Stimme von Apparat hervor, vergewissert den Hörer, dass im großen, übergeordneten Bedeutungszusammenhang auch immer einzelne Individuen am Werk und vor allem betroffen sind. Die Beats sind auf ein Minimum reduziert und rücken fragmentiert in den Hintergrund – die einzelnen Tracks nehmen eher durch dichte Ambient-Sounds und große Harmoniebögen an Fahrt auf und sind immer auf einzelne Höhepunkte ausgerichtet, nicht auf griffige und wiederkehrende Motive.
Am Ende deutet sich dann so etwas wie ein cinematisches Finale an: In „Austerlitz“ beginnt die Musik, dramatischer zu werden. Am gleichnamigen Ort erfuhren die österreichischen und russischen Truppen ihre vernichtende Niederlage gegen Napoleon; ein zentraler Handlungsstrang in „Krieg und Frieden“. Mit der Schlacht im Kopf nimmt der Rhythmus immer mehr Raum ein, verhallte Trommeln verkörpern Archaik und leiten über zur finalen Reflexion in „A Violent Sky“. Hier dominiert wieder das Denken über die Tat, findet die theoretische Auseinandersetzung mit Krieg, Verlust und Freiheit wieder statt, hat das Individuum schließlich wieder einen Platz.
Dieser Anspruch und die groß aufgezogene Tiefgründigkeit lassen die Platte aber auch etwas schwächeln. „Krieg und Frieden“ zu hören ist ein bisschen, wie ein episches Schlachtengemälde ansehen: Man weiß zwar einerseits ziemlich genau, worauf man sich da einlässt, aber am Ende bleibt trotzdem das Gefühl, dass hier alles ein bisschen zu stark idealisiert ist und die Konflikte ein wenig oberflächlich dargestellt werden. Die Tracks sind pathetisch und breitformatig in Szene gesetzt und halten auch mit Kitsch und großen Gesten nicht hinter dem Berg. Gerade diese großen Spannungsbögen und breiten Atmosphären kommen manchmal etwas plump und bemüht daher. Die flächigen Stimmungen des Albums bewegen sich manchmal eher auf der Autobahn der Filmmusik, als auch mal mit dem Gedanken an Gegenverkehr zu spielen. Es ist ein schönes Album, fein und sehr kompetent produziert, aber eben auch manchmal mit ein bisschen zu viel Frieden und zu wenig Krieg in den Harmonien.
Preview:
https://soundcloud.com/muterecords/sets/apparat-krieg-und-frieden
Tracklist:
- 44
- 44 (Noise Version)
- Light On
- Tod
- Blank Page
- PV
- K&F Thema (Pizzicato)
- K&F Thema
- Austerlitz
- A Violent Sky