Schon als Kind hat er die Geräusche von Bausteinen oder Spielzeug mit Kassettenrecordern aufgenommen. Als junger Student suchte er mit einer museumsreifen Software und einem uralten DOS-Bildschirm nach neuen Klängen und Geräuschen. Mittlerweile ist der in Tokio lebende Klangtüftler Ametsub ein Star in der elektronischen Musikszene Japans. Nach seinem Debutalbum ”Linear Cryptics” vor sechs Jahren ist das neue und vierte Album „All Is Silence“ kurz vor dem Durchbruch in den japanischen Mainstream-Charts, und will jetzt auch Europa erobern.
Schwereloser Ambient, IDM und Broken-Beats treffen auf liebevolle Instrumental-Samples, die nach Gitarrenzupfereien und melancholischen Klaviermelodien klingen. Dazwischen verbaut er elektronische Störsignale, Retro-Synthies und weitere Klangspielereien. Harmonisch, individuell ist das. Sein musikalischer Stil ist nicht gerade typisch für elektronische Musik aus Japan: „Eigentlich höre ich nur europäische Musik, japanische gar nicht. Der größte Teil der japanischen elektronischen Musik ist ja keine elektronische Musik. Meistens ist es laut und protzig und eher modischer Pop.“ sagt Ametsub.
Modischer Pop, das ist sicher nicht Ametsubs Stil. Asiatische Harmonien und Sakamoto-Samples treffen auf ravig knarzende, schnelle Parts, atmosphärische Ambientteppiche oder Broken Beats. Hin und wieder hört man Vocals mit einem Hauch von Soul, Jazz oder 80ies. Einige Tracks schwingen sich so oft von einem zum anderen Genre, dass man denken könnte, man hört so was wie den Elektro-Soundtrack der Musikgeschichte.
Zu seinen persönlichen Highlights zählt Ametsub das Live-Set beim L.E.V. Festival 2011 mit Apparat, den kurzen Auftritt mit Björk beim Flow Festival 2012 in Finnland und das DJ Set mit Caribou beim Fuji Rock Festival 2012 in Japan. Für dieses Jahr plant er Shows in Vietnam, Spanien, Schweden und Deutschland. Der legendäre Musik- und Filmemacher Ryuichi Sakamoto lobt den 24-jährigen Ametsub und seine Live-Qualitäten bereits in höchsten Tönen.
„Ich erschaffe mit meiner Musik eine Straße, die in eine Zukunft führt, wie ich sie mir vorstelle und vermische völlig verschiedene Elemente, um sie durcheinander zu vervollkommnen. Aber meistens ist es einfach nur der Spaß am Zufall, der mich so Unterschiedliches mischen lässt.“
Ametsubs Endlostracks hört man diese ausschweifende Verspieltheit an: “Die langen Songs sollen wie ein Horizont sein, endlos und weit.“ Seine Inspiration zieht Ametsub vor allem aus der Natur und erklärt uns: „Ich liebe die Berge, Flüsse, die Massivität von Natur, ihre Erhabenheit, und dann ein einsamer Vogel darin.“ Solche romantischen Natureindrücke übersetzt Ametsub feinsinnig in elektronische Musik.
Die abwechslungsreichen und weiten Landschaften Islands haben es Ametsub besonders angetan. Die Vielschichtigkeit zwischen Eisberg und Vulkan, Kargheit und Wachstum faszinieren Ametsub so sehr, dass er bald nach Island ziehen will. Mit den Bildern einer einsamen Landschaft im Hinterkopf, erklärt sich auch der Titel des aktuellen Albums „All is Silence“: „Stille ist meine Hoffnung in der Welt. Es ist nicht nichts. Kein Tod. Nur Stille.“
Dass Schweigen einen besonderen Wert für Ametsub hat, macht sich auch in seinem Umgang mit der Presse bemerkbar. Der scheue Künstler erzählt so gut wie nichts von seiner Person. Nur mit Mühe lässt sich herausfiltern, dass sein bürgerlicher Name Akihito ist und er aus Tokyo kommt. Weitere Infos gibt es nicht. Damit konzentriert er sich auf das für ihn Wesentliche: „Ametsub ist nur ich. Die Bedeutung des Namens ist ein Geheimnis.“ Und dieses Geheimnis kann man wunderbar hören.