Tosca: „Mehr Johnny Cash als Depeche Mode“

TOSCA - Rupert Huber und Richard Dorfmeister
TOSCA – Rupert Huber und Richard Dorfmeister

Der schwarze Anzug und der stets ernste Gesichtsausdruck sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der österreichische Komponist und Pianist Rupert Huber neben einer klassischen Ausbildung eine gute Portion Humor besitzt – und ihn auch nach mehreren Interviews an diesem Tag noch bewahrt. Das Thema des Promotages im K7!Office ist die Veröffentlichung eines neuen Tosca-Albums namens „Odeon“, dem sechsten Studioalbum, zieht man die zahlreichen Remixarbeiten ab. Damit hat sich der Künstler als Duo zusammen mit Richard Dorfmeister über 20 Jahre von einem Dubfunkdownbeat-Exponaten zu einem Ambient- und Songwriter-Ansatz entwickelt.

 

Rupert Huber & Markus Scholl beim BLN.FM-Interview
Rupert Huber & Markus Scholl beim BLN.FM-Interview

Man erkennt schon an den ersten Chords, wer sich hinter der Ratewand aus Moll verbirgt – Rupert Huber weiß, dass diesem Trademark-Sound eine glückliche Fügung vorauseilt. Die Voraussetzung, dass Tosca so einzigartig klingt ist, dass beide Protagonisten im selben Raum Musik machen, und nicht wie in vielen Projekten über Filesharing kooperieren. Den Luxus einer gemeinsamen „Sääschn“ gönnen sich Rupert Huber und Richard Dorfmeister nun schon seit 35 Jahren, eine musikalische Ehe die dadurch hält, dass die beiden Schulfreunde unterschiedliche Begabungen und Temperamente einbringen. Richard Dorfmeister bringt als aktiver DJ die Einflüsse mit, die vom Klubkontext herrühren. Rupert Huber setzt als ausgebildeter Pianist die richtigen (Rhodes-)Akkorde. Dass dieses Fender Rhodes zur Handschrift der beiden gehört, liegt daran, dass die Dinger zur Entstehungszeit des Projektes in Studios anderer Künstler anscheinend zustaubten und total unpopulär waren. Tosca holten das 70-er Fossil aus der Schmäh-Ecke und re-popularisierten seinen glockenklaren Klang für das, was später als „Sound Of Vienna“ bezeichnet werden würde. Natürlich unterlag das Aufkommen des neuen Hypes Mitte der Neunziger auch dem Zwang der EU-Erweiterung, und dass sich die jungen Österreicher nicht nochmals über Mozart, Strauss oder die Lipizzaner (die berühmten Pferde der Spanischen Hofreitschule des Kaisers) definieren wollten. Flankiert vom Trip Hop-Vibe aus England waren die Ohren offen für den Downtempo-Export „Made in Austria“, für den Tosca und K+D Pate standen, und auf dem zwangsläufig die Epigonen und Verwässerer – sowie die Tourismusbehörde in Wien – folgten.

Nun, 20 Jahre später wird Kaffee immer noch mit Wasser gekocht, auch der in Wien, aber so heiß wird er nicht mehr getrunken; der Kruder & Dorfmeister-Hype hat sich längst in Schall und Rauch aufgelöst und die Medien werden immer schneller beim Aufspüren vom neuesten heißen Sch**ß. Dem gegenüber zeigt Toscas akribische Arbeit am Sound und bei der Livepräsentation, dass man sich den Luxus gönnt, die Präsentation des Projektes rar zu halten – und dem Tempo der Hipster auch nicht nachkommen will. Es werden Kirchen bespielt, es wird ein Chor ins Live-Geschehen integriert und sie arbeiteten mit der Ars Electronica für eine überzeugende Audio- und Video–Umsetzung: Alles Dinge, die mit der MP3 Streaming-Generation kollidieren und nebenbei gesagt auch nicht gerade billig sind. Aber diesen Luxus können sich Richard Dorfmeister und Rupert Huber getrost gönnen. Man spielt längst vor einem „erwachsenen“ Publikum, das mit den beiden Herren gereift ist.

Die Liveumsetzung von „Odeon“ bedeutet auch eine Einbeziehung von Gastsängern. War das Vorgängeralbum „No Hassle““ fast rein instrumental und introspektiv, gar collagenhaft, wirkt „Odeon“ unter Einsatz von Gastvokalisten wie ein Schritt in Richtung „Dehli 9“ (2003) oder „J.A.C.“ (2005). Einen Unterschied zu den Vorgängern, den man vor allem bei dem Stück „JayJay“ mit Jay Jay Jones am Mikro hört, ist der Einschlag in Richtung New Wave und düsteren Synthpop à la Depeche Mode, den die Plattenfirma mit dem Begriff „Goth“ umreisst. Auch hier beweist Rupert Huber Humor, kennt er das Promosheet zu Odeon offensichtlich nicht: „Da hat eher Johnny Cash einen Einfluss auf unsere Musik gehabt, als Depeche Mode… Und Goth, … vielleicht die Kirchen der Gotik…“.

 

Das BLN.FM-Interview zum Nachhören:

https://soundcloud.com/bln-fm-im-fokus/im-fokus-tosca