Israelische Kunst hinter Messingtüren

Unter dem Titel „Accelerating Toward Apocalypse“ wird in der Daimler Contemporary, dem Ausstellungsraum des Edel-Automobilherstellers Daimler in Berlin, noch bis zum 1. April zeitgenössische israelische und internationale Kunst aus der Sammlung Doron Sebbags gezeigt. Neben einem 40 Werke umfassenden Ausschnitt aus der Tel Aviver Privatsammlung sind auch Werke der „Daimler Kunst Sammlung“ zu sehen.

Sigalit Landau: Alatlal. Copyright: Daimler AG
Sigalit Landau: Alatlal. Copyright: Daimler AG

 

An „Alatlal“, einer Skulptur der israelischen Künstlerin Sigalit Landau, kommt man nicht vorbei. Die Figur eines Erhängten besteht unter anderem aus Zuckerfaser. Sie entstand 2001, während der Zweiten Intifada: Selbstmordattentate und Vergeltungsaktionen gehörten damals zum Alltag der Menschen im Nahen Osten. Was hat sie in die Verzweiflung getrieben? Der Titel des Werks bedeutet übersetzt „Die Ruinen“. Er ist einem arabischen Gedicht entliehen. Es handelt von den Ruinen der Liebe, um das, was nach einer Trennung bleibt. Sehr persönlich mutet das Werk der sonst sehr politischen Künstlerin an, die schon mehrmals, zuletzt 2011, im israelischen Pavillon auf der Biennale in Venedig ausstellte.

 

 

Sigalit Landaus zweite Arbeit in der Daimler Contemporary, „Mermaids“, beschäftigt sich mit dem Thema „Grenzen“. Das Video spielt am Strand zwischen Aza (Gaza) und der israelischen Stadt Ashkelon. Landau kreiert daraus den fiktiven Ort „Azkelon“. In der Realität teilen sich die beiden Städte zwar einen Strand, aber sie sind durch eine Grenze getrennt. Im Video verlassen drei nackte Frauen das Meer, fallen auf den Strand und während sie auf allen Vieren zurückkriechen, ziehen sie mit ihren Fingern Linien in den nassen Sand. Mit der nächsten Welle sind ihre Spuren verschwunden: So willkürlich wie sie gezogen wurden, werden sie ausgelöscht.

Sigalit Landau: Mermaids [Erasing the Border of Azkelon]. Copyright: Daimler AG
Sigalit Landau: Mermaids [Erasing the Border of Azkelon]. Copyright: Daimler AG

Die ausgestellten Videoarbeiten werden von einer elegischen Musik Philip Glass‚ begleitet, die er ursprünglich für Michal Rovners Video „Notes“ komponiert hatte. Rovner beschäftigt sich wie Landau mit existenziellen Fragen wie Migration, Grenzen und Vertreibung. Die Musik passt aber auch zu Amit Berlowitz‚ traurigem Versteckspiel „Hide and Seek“ und zu Uri Nirs großen Seifenblasen, die in „Attachments“ im Morgengrauen über eine Kuhweide ziehen – meditative Arbeiten, die von den sich wiederholenden musikalischen Passagen unterstützt werden.

Dash Snow Photography Collection. Copyright: Daimler AG
Dash Snow Photography Collection. Copyright: Daimler AG

 

Doron Sebbags Sammlung ist nicht ausschließlich auf israelische Künstler ausgerichtet. Sein Interesse gilt auch amerikanischen Fotografen. Gezeigt werden Nan Goldin, deren Fotografien zuletzt 2010 in der Berlinischen Galerie zu sehen waren, und Dash Snow. Beide dokumentieren mit ihren Fotos Partynächte und -tage. Snow griff hierfür zur Polaroidkamera. Der New Yorker, der bereits als Jugendlicher auf der Straße lebte, wurde keine dreißig Jahre alt. Er starb 2009 an einer Überdosis Heroin. Um die 140 Schnappschüsse zu kleben, benutzte er kurzerhand sein Sperma. Die Polaroids haben, wie viele Werke dieser Ausstellung, eine sowohl anziehende als auch abstoßende Wirkung.

Die Ausstellung liegt zentral und ist dennoch versteckt: Ausgestellt wird im vierten Stock hinter einer schweren Messingtür im Haus Huth, dem ältesten Gebäude am Potsdamer Platz.

Ausgestellte Künstler:

Dalia Amotz, Ilit Azoulay, Mahmoud Bakhshi, Avner Ben-Gal, Amit Berlowitz, John Bock, Madeleine Boschan, Peter Buggenhout, Ofri Cnaani, Marlene Dumas, Günther Förg, Gideon Gechtman, Ori Gersht, Nan Goldin, Thomas Helbig, Damien Hirst, Andy Hope 1930 (Andreas Hofer), Sigalit Landau, Robert Longo, Robert Mapplethorpe, Ryan McGinley, Charlotte Moorman, Hermann Nitsch, Doron Rabina, Michael Sayles, Dash Snow, Wolfgang Tillmans, Banks Violette, Sharif Waked, Guy Zagursky, Maya Zack

„Private/Corporate VII: Accelerating Toward Apocalypse“ bis 1. April 2013, täglich 11-18 Uhr geöffnet, Eintritt frei. Kostenlose Führungen am 16.2., 9.3., 30.3. jeweils um 16 Uhr in der Daimler Contemporary im Haus Huth, Alte Potsdamer Str. 5,  Berlin-Tiergarten, S-/U-Bahn Potsdamer Platz.