Die letzten Böller hallen noch durch die Straßen. Und wir starten langsam an unserem ersten Abend im neuen Jahr. Mit Skylab fahren wir an den Strand: Dort ist es noch warm und in der letzten Sonne finden wir Muscheln im Sand. Eine besonders große halten wir uns ans Ohr. Ist das unser Blut, das da so rauscht, oder sind das Erinnerungen aus den 1990er – vielleicht noch Reste aus der letzten Nacht? Als Thriftworks dazu kommt, gehen wir gemeinsam in den Wald. Wir kommen an eine Lichtung und sehen vorchristliche Sumpfgötter, wie sie sich in seltsamen Ritualen gegenseitig beschwören. Wir müssen an die Maya denken und an das Weltende. Das ist uns irgendwie unheimlich, doch erden 9Lazy9 uns mit Hip Hop-Beats und garnieren alles mit einer Prise Jazz. Alles scheint sich gut zu entwickeln, bis Redshape uns den Weltuntergang in apokalyptischen Visionen ausmalt – hinter seiner roten Maske sieht er furchterregend aus.
Aber Thriftworks ist immer noch da. Ihm passt die düstere Stimmung überhaupt nicht, so früh im Neuen Jahr. Er spielt so virtuos mit seinen glitschigen Basslines, dass alle anfangen zu tanzen. Die Stimmung ist wie geschaffen für den großen Auftritt des alten Meisters Peter Brown. Er beamt uns zurück in die Disco-Ära und besingt die Kraft der großen Familie, die sich im Tanz vereint. Si Begg fährt dazu mit hartem Maschinenfunk so lange auf dem Dancefloor herum, bis die Stimmung am Überkochen ist.
Jamie Lidell und Cristian Vogel bereiten indessen ein geheimes Beschwörungsritual vor. Und wie die beiden das auch immer machen: es funktioniert richtig gut. Als es langsam dunkel wird, tanzen alle um große Feuer und sogar die Sumpfgötter sind begeistert mit dabei. Dann taucht in grellem Licht plötzlich Anstam auf. Wie Irrlichter fliegen seine Sounds zwischen uns herum. Erst wundern sich alle kurz: Ist da irgendwas kaputt gegangen? Aber Anstam lässt keine Fragen aufkommen: Unerbittlich macht er Druck, bis wir Angst haben, dass uns alles um die Ohren fliegt. Hatten die Maya doch recht?
So toll Anstam auch war, sehr viel länger hätten wir das kaum ausgehalten. Isolée lässt uns erstmal aufatmen. Der Raum wird in kühl-blaues Licht getaucht und wir erholen uns bei einem Gin Tonic: Huch, war gestern nicht Silvester und Party? Egal! Das neue Jahr will gefeiert werden, nicht nur das alte! Michael Fakesch kommt vorbei und bringt Nikolai Ockel von Sallwitz mit. Zusammen klingen sie wie Prince auf einem extrem schrägen Trip. Mit Cassius aus Frankreich erholen wir uns, während wir an der Bar noch einen Gin Tonic ordern. Und als Burial seine Post Dubstep-Hymne anklingen lässt, fühlen wir uns fast in die 90er Jahre zurück versetzt. Als sein Epos mit einem Mal verstummt, gehen wir glücklich nach Hause: Das neue Jahr – es wird sicher ein Gutes werden!
Hier gibt’s die Sendung zum Nachhören:
Das wird gespielt:
- Skylab – Seashell (#1, 1994)
- Thriftworks – In Tongue (Rainmaker, 2012)
- Thriftworks – Swamp Gods (Rainmaker, 2012)
- 9 Lazy 9 – Electric Lazyland (Electric Lazyland, 1996)
- Redshape – Until We Burn (Square, 2012)
- Thriftworks – Virus Soop (Hermetic Thriftology, 2010)
- Peter Brown – Burning Love Breakdown (Do You Wanna Get Funky with Me?, 1977)
- Si Begg – Grind (Director’s Cut, 2003)
- Super Collider – Soily Soul (Raw Digits, 2002)
- Anstam – Intuit (First Sprout EP, 2012)
- Isolée – Bleu (Beau Mot Plage, 1999)
- Michael Fakesch – Dot (Dos, 2007)
- Cassius – Hey Babe (1999, 1999)
- Burial – Truant (Truant / Rough Sleeper, 2012)