Treitschke bleibt auch 2013

In Berlin gibt es viele Straßen, die Namen von Prominenten verganger Jahrhunderte tragen. Darunter befinden sich auch viele, die im Nationalsozialismus verehrt wurden. Durch Berlin-Zehlendorf führt der Hindenburgdamm, in Berlin-Steglitz gibt es die Treitschkestraße. Die Namensgeber waren keine Nazis, waren ihnen aber als Vordenker wichtig.

Heinrich von TreitschkeHeinrich Gotthardt von Treitschke ist so eine Person. Vor 150 Jahren füllten Studenten seine Vorlesungen an der Kaiser-Wilhelm-Universität zu Berlin, der heutigen Humboldt-Universität. Als Politiker saß er im Deutschen Reichstag. Doch der Nachwelt bekannt wurde er durch die politische Streitschrift „Unsere Aussichten“. In dem befindet sich ein Satz, der den Nazis besonders gefiel: „Die Juden sind unser Unglück“. Seit 1927 prangte es als Unterzeile beim Nazi-Hetzblatt „Der Stürmer“.

Die Treitschkestraße ist eine Seitenstraße, die von der Schlossstraße abgeht. Seit Jahren versuchte die SPD-Fraktion im Parlament des Berliner Stadtbezirks Steglitz-Zehlendorf den Straßennamen zu ändern. Die CDU wollte das nicht, denn sie hält eine Namensänderung für unnötig. Am Ende stand ein Kompromiss, den die Grünen aushandelten, die gemeinsam mit der CDU in Steglitz die Mehrheit bilden: die Anwohner sollten abstimmen, ob sie noch weiter in einer „Treitschkestraße“ wohnen wollten. 300 von 400 Anwohnern gaben ihre Stimme ab. Kurz vor Weihnachten wurde dann das Ergebnis öffentlich: über 70% der Anwohner wollten den Namen behalten. Die Gegner scheuten den bürokratischen Aufwand und die damit verbundenen Kosten, berichtete der Tagesspiegel.

Die SPD-Fraktion in Steglitz und der Verein „Mehr Demokratie“ wollen sich mit dem Ausgang der Entscheidung nicht abfinden und kündigten für 2013 eine neuen Anlauf für eine Straßenumbenennung an, berichtet die taz. Die Piraten in Steglitz sehen das anders. Ursprünglich wollten auch sie, dass die Treitschkestraße den umstrittenen Namen los wird. Doch anders als andere Unterstützer der Umbenennung wollen die Piraten das Anwohnervotum akzeptieren. Direkte Demokratie gegen Geschichtsbewußtsein? Alf Jarosch von der Piratenpartei meinte gegenüber BLN.FM, dass ihn das Ergebnis der Abstimmung seitens der Betroffenen nicht verwundert. Werkzeuge wie das Meinungsbildungstool „Liquid Feedback„, wie es bei der Piratenpartei in Gebrauch ist, könnten da Abhilfe schaffen, meint er und schlägt einen Einsatz bei Bürgerbefragungen vor. Aber überwindet diese Form der Meinungsbildung aber das historische Desinteresse von vielen Anwohnern?

(mit Alexander Koenitz)