Bereits seit Herbst sorgt der „Armuts- und Reichtumsbericht“ der Bundesregierung für Schlagzeilen. Passagen des Berichtes wurden einfach gestrichen, obwohl die Statistik soziale Ungleichheit in Deutschland schön rechnet. (BLN.FM berichtete.) Pünktlich zum Jahresende publizierten Deutschlands Sozialverbände nun ihre Untersuchungen zu Armut und Einkommensverteilung in Deutschland. Sie sollen zeigen, wie viel Armut es wirklich in Deutschland gibt. Und jeder darf überprüfen, ob er sich auch zu den Armen zählen kann, obwohl er das vielleicht nie für sich angenommen hat.
Wer als Single 848 Euro Einkommen im Monat hat – der gilt als arm.
Seit Jahren bleibt der Anteil der Menschen, die in Armut leben, gleich. Das sagte die Nationale Armutskonferenz, ein Zusammenschluss von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, am 18. Dezember. Das heißt: seit Jahren lebt die gleiche Anzahl von Menschen von weniger als 60% eines mittleren Einkommens. 2011 betrug das für einen Single-Haushalt 848 Euro. Obwohl das Bruttoinlandsprodukt stetig gestiegen ist, ist die Armut in Deutschland nicht gesunken. Grund dafür ist die wachsende Anzahl der Menschen, die für miese Löhne unter 10,30 Euro arbeiten. Das sind mittlerweile mehr als 6 Millionen Menschen. Die Armutskonferenz schließt daraus, dass Armut in Deutschland „politisch gewollt“ ist.
Der Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung bleibt gleich. Das sei kein dringendes Problem, meint die Bundesregierung.
Mittlerweile sind 15% aller in Deutschland Lebenden von Armut betroffen oder gefährdet. Das sind mehr als 12 Millionen Menschen. In Berlin und dem Ruhrgebiet ist es sogar schlimmer: in der deutschen Hauptstadt gelten 21,1% aller Bewohner als arm, stellt der kurz vor Weihnachten vorgestellte Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbandes fest. Die Bundesregierung hingegen sieht Armut nicht als dringend zu lösendes Problem. Per Pressemitteilung verlautbarte sie, dass sie keinen erhöhten Handlungsbedarf sehe. Immerhin stellt sie fest, dass hauptsächlich jüngere Menschen von Armut bedroht sind – und zwar vor allem jene, die keine feste Anstellung haben.
Armut sei nicht als ernstes Problem in Deutschland anerkannt, stellte der Paritätische Wohlfahrtsverband fest. 374 Euro Hartz IV sind zu niedrig. Deshalb fordert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Zusammenschlusses, die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, die Erhöhung von HartzIV und eine Reform des Wohngeldgesetzes.
Armut in der Statistik und das TV-Klischee haben wenig miteinander gemein.
Armut ist nach wie vor mit Klischees behaftet: der Obdachlose auf der Straße ist arm, die allein erziehende Mutter ist es, ebenso die Putzfrau, die mitten in der Nacht durch die Büros geht. Da liegt es fern, bei sich zu sehen und zu fragen: „Wie arm bin ich eigentlich?“ Ein Blick auf den monatlichen Kontoauszug reicht: Alleinstehende, die mit weniger als 848 Euro monatlich ihren Haushalt schmeißen, gelten der Statistik nach bereits als arm. Das dürfte einige betreffen, die sich selbst nie als arm bezeichnen würden.
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