Michael Price – A Stillness

Michael Price - A Stillness - Cover

Michael Price – Auch wenn den Namen nicht viele kennen, seine Arbeit hat fast jeder schon einmal gehört. Bei Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Verfilmung war er Music Editor. So jemand schreibt die Musik nicht selbst, aber er sorgt dafür, dass alles zu den Bildern passt und ändert Positionierung und Länge der Stücke. Außerdem kümmert er sich um die Musik, mit der während der Produktion gearbeitet wird. Am Ende ist er auch dafür zuständig, in welchem Verhältnis Effekte, Sprache und Musik gemischt werden. Diese Arbeit hat Michael Price schon bei einigen großen Produktionen geleistet: „Children Of Men“, „Event Horizon“ und „James Bond: Ein Quantum Trost“.

Was hat das alles hier zu suchen? Ganz einfach: Es ist, wenn man so will, die musikalische Schule, durch die Michael Price ging. Und dass es bei den meisten einer Filme eher laut und schnell zuging, ist vielleicht auch der Grund, warum er jetzt eine Platte vorlegt, die „A Stillness“ heißt.

Es ist eine kurze EP: Vier Stücke, knapp 12 Minuten. Man hat den Eindruck: Hier betritt jemand tastend Neuland. Ihm hilft, dass er in einem anderen „musikalischen“ Feld erfolgreich war, aber das garantiert nicht, dass es auch hier glücken wird. Und man hört auch, dass es als geschlossenes Ganzes funktionieren soll: Es wird ein Spannungsbogen erzeugt und so etwas wie eine Erzählung – nicht zuletzt auch über die Titel.  „A Distance“ beginnt spannungsvoll und macht neugierig: Da naht etwas, ein Flirren liegt in der Luft. Und dieser erste Titel hält die Spannung weitgehend. Mit „A Bridge“ kippt das Ganze leider in Richtung Filmmusik. Und bald klingt die Platte, als würden ihr die Bilder fehlen, als würde sie ohne konkrete Bilder nicht richtig funktionieren. Rhythmisch hört man, wie sehr das alles sich nach einem ruhigen, dramatisierenden Schnitt sehnt, nach einer letztlich über Bilder vollzogenen Erzählung.

Zwei Zitate beschreiben am besten, worum es geht. Da ist zuerst Michael Price: „Ich versuche eine kleine Stille in mitten einer lauten, hyper-verbundenen Welt zu kreieren.“ Damit wird er in unserer harmonie- und ruhebedürftigen Welt viel Zustimmung ernten. Und dann ist da Robert Raths, Labelchef von „Erased Tapes“, der auf seiner Webseite erklärt, warum er seine Veröffentlichungen „Cinematic Pop“ nennt: „Cinematisch“ bedeutet für ihn, dass da Raum für den Hörer bleibt, dass er zur Musik seine eigenen Bilder entwickeln kann, sozusagen seinen eigenen kleinen Film. „Pop“ nennt er, was sein Label macht, weil er für seine Künstler gern mehr als nur eine kleine Nische beanspruchen will.

Das ist verständlich. Aber trotzdem sind die beiden Begriffe nicht unproblematisch. „Cinematisch“ wird für die BEschreibung von Musik verstärkt seit den 90er Jahren verwendet. Anfangs war es Musik, die weitgehend unbesetzt war durch Bilder. Sie erlaubte den Rückzug in einen Innenraum, ohne die Einrichtung vorzugeben. Pop ist fast schon ein Gegenentwurf dazu: Es ist ein Raum, in dem sich viele Menschen treffen, gerade weil sie alles Mögliche wiedererkennen. Es ist als nicht einfach, die beiden Begriffe zusammen zu führen. Um das für Michael Price zu konkretisieren: Man sitzt allein in einem Raum. Der sieht so aus, als sei er mit klassischer Musik eingerichtet, funktioniert  aber wie eine Lounge. Man wartet auf Michael Nyman. Aber der kommt nicht.

Es wäre wünschenswert, dass Michael Price sich aus der Umklammerung des Films löst. Vielleicht öffnet er dann mit seiner Musik Räume, in denen sich die Vorstellungskraft des Zuhörers frei entfalten kann, ohne dass Schnitttempo und Erzählgestus mitgeliefert werden. Denn bei aller Affinität zu Film oder Pop: Musik ist eine eigenständige Kraft. Sie kann dienen oder sich anbiedern – sie muss das aber nicht. Jeder wird selbst entscheiden, ob er das hier haben will: Die Veröffentlichung ist liebevoll ausgestaltet mit Bildern des Fotografen Klaus Frahm – dem Vater von Niels Frahm. Man kann auch die Partitur kaufen. Musikalisch ist es vielleicht etwas glatt: Mit dieser Musik wagt man sich nicht besonders weit heraus. Aber man macht auch nicht viel falsch. Als Soundtrack ist das ganz in Ordnung. Aber als etwas, das eigenständig funtionieren soll, ist es leider zu wenig.

Das Album kann hier direkt kos­ten­los pro­be­ge­hört werden:

https://soundcloud.com/erasedtapes/sets/michael-price-a-stillness

Tracklist:

  1. A Distance
  2. A Bridge
  3. A Reaching
  4. A Tenderness

(Erased Tapes)