Andy Stott – Luxury Problems

Andy Stott - Luxury Problems - CoverWer ein DJ-Set von Andy Stott hört, dem wird deutlich, was es mit der Bezeichnung „Basement-Sound“ auf sich hat. Der Brite versteht es in seinen Sets wie kaum ein zweiter, alle darin enthaltenen Assoziationen wachzurufen: Verdichtung, Dunkelheit, Schwere. Seine Rhythmen haben in ihrer Schwere fast etwas Behäbiges und Widerspenstiges, das sich dem dynamischen Impetus elektronischer Tanzmusik nicht so recht beugen möchte. Wenn man noch in Rechnung stellt, dass Stott aus Manchester, der postindustriellen Stadt par excellence stammt, dann ist es kein weiter Weg zu den üblichen Metaphern vom Geist verlassener Produktionsstätten und dem verblassten Widerhall imaginärer Maschinen-Rhythmen. Andy Stott hat jedoch besonders mit seinen beiden kongenialen EPs von 2011 (Passed me by & We stay together) auch über die elektronische Musik hinaus Aufsehen erregt und einen Soundentwurf vorgelegt, der bei allen berechtigten Assoziationen weit über „Industrial Techno“ hinausgeht. Ein wenig schien seine Musik ein elektronisches Äquivalent zum zeitgleichen Revival von Dream Pop zu sein. Auch die ersten Takte von „Luxury Problems“ scheinen dieser Interpretation Nahrung zu geben.

Zum wichtigsten Instrument macht Andy Stott auf diesem Album die immer wieder neu geloopte und modulierte Stimme von Alison Skidmore, seiner Klavierlehrerin aus Teenagerzeiten. Etwas Gespenstisches scheint über dieser Platte zu liegen, so als ob die seltsam körperlose Stimme von Skidmore die Tracks wie ein rastloser Geist heimsucht. Aber nicht nur deshalb klingt „Luxury Problems“ streckenweise so, als hätte Stott das alte Genre des Haunted-House Horrorfilms mit einem Soundtrack veredelt. Eine eher sakrale Dimension bekommen die Vocals dagegen in „Lost & Found“, wenn Stott sie zu einem ätherischen Klagegesang loopt und mit einem dunkel brodelnden Gerüst aus Breakbeats und Drone-artigen Bässen kontrastiert. Atmosphärisch funktioniert dies hervorragend, bisweilen entsteht jedoch der Eindruck, dass die geloopte Stimme als prominentestes Stilmittel hier ein wenig zu viel des düsteren Pathos schultern muss. Am besten funktionieren die Vocals auf dem grandiosen, beinahe neunminütigen „Hatch the plan“, wo Stott magische Effekte aus einem Wechsel zwischen elegisch-dunklen und unbeschwert-leichten Stimmfragmenten erzielt. Auch die bereits erwähnte schleppende Schwere seiner Beats gewinnt dadurch einen interessanten Kontrast, der dem Track weitaus größere Ambitionen als gelungene Industrial-Sounds gibt.

Vielleicht besteht der größte Reiz von „Luxury Problems“ darin, zwei bislang nicht sehr gut vertraute Genres zu versöhnen: Die postapokalyptische Düsternis von Dubstep à la Burial vereint er mit dem ätherischen Dream-Pop-Erbe von Kate Bush und Elizabeth Fraser. Ein wenig denkt man bei dieser Platte in ihrer Kombination aus filigranen und sinistren Klängen an eine gewaltige gotische Kathedrale. Nicht immer gelingt es Andy Stott jedoch, seine verschiedenen Zutaten überzeugend atmosphärisch zu verdichten, bisweilen scheint er sich zu sehr auf die mythische Suggestionskraft von einzelnen Flächen und Loops zu verlassen. Andererseits scheint es auf dieser Platte ohnehin um etwas Anderes zu gehen: Stott versucht, die Weite seiner Klanglandschaften zu vermessen, ohne sie in den Dienst von Track-Strukturen zu stellen. Für den Hörer bleibt dies ein zumeist lohnendes Unterfangen. Wer sonst schafft es in einem Track die süßesten Erinnerungen an alte Cocteau-Twins-Platten wachzurufen und im nächsten Augenblick längst vergessen geglaubte Drum n’Bass Rhythmen wieder mit Euphorie aufzuladen?

Preview:

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Tracklist:

  1. Numb
  2. Lost and Found
  3. Sleepless
  4. Hatch the plan
  5. Expecting
  6. Luxury problems
  7. Up the box
  8. Leaving

(Modern Love)