Langsam spazieren wir durch stillgelegte Vergnügungsparks aus längst vergangenen Epochen der Unterhaltungsindustrie wie den alten Spreepark in Berlin-Treptow und staunen über die verfallenen Achterbahnen und Karussells. Durch Ruinen von märcheninspirierten Spiellandschaften träumt man sich zurück in eine Kindheit, in der ein einfaches Kettenkarussell reichte, um uns zu erfreuen. „Kidsuke“ versetzt in eine ähnlich melancholisch-naive und nostalgische Grundstimmung.
Hinter „Kidsuke“ stecken die beiden Beatbastler Kidkanevil und Daisuke Tanabe, die beide schon seit einer Weile in der Welt des instrumentalen HipHop unterwegs sind. Der eine, Tanabe, stammt aus Japan und der andere, Gerard Roberts alias Kidkanevil hat eine ausgewiesene Affinität zum japanischen Kulturkreis, wie sein Album „Bashō Bashō“ von 2010 nahe legt. Für das Berliner Label Project Mooncircle, das sich für Fusionen aus elektronischen und organischen Beats einsetzt, taten sie sich zusammen und verschmelzten zu Kidsuke.
Für ihr gemeinsames Album warfen die beiden aber nicht einfach ihre Stärken beim Produzieren von komplexen Klanggebilden zusammen, sondern folgen einem speziellen Konzept. Sowas wie der rote Klangfaden sind die hellen Töne einer Art Glockenspiel oder eines Xylophons, die immer wieder an Melodien von Spieluhren denken lassen. Dazu gesellen sich umtriebige, klickende, plockende und blippende Geräusche, sanfte Beats, warme Synths und warm-wohlige Bässe. Geisterhafte, sanfte Stimmen flüstern kaum hörbar hin und wieder an die Ohren heran, bei denen weniger wichtig ist, was sie zu sagen haben, als dass sie da sind. Sie versetzen uns zurück in ein Kindesalter, in dem der Klang einer weichen Stimme genügte, um uns in Ruhe zu versetzen und in den Traum gleiten zu lassen.
Auf dem Album gibt es aber auch Tracks, die mit druckvoller Bassdrum und flirrenden Synths nach vorne preschen wie „SGstep“ oder „Cherry Chimes“. „Harmonics Pt.1“ wirkt mit rasanter Percussion fast ausgelassen und fröhlich und „Harmonics Pt. 2“ treibt mit Footwork-Rhythmen und stakkatohaftem Bass voran. Am druckvollsten und einprägsamsten ist „Tiny Concrete Block“, das mit wummerndem, verwischendem, fast bratzigem Bass und Dubstep-Beat auch Clubpotenzial in sich trägt.
Nahtlos greifen die Tracks – besser: Stücke – ineinander und holen die Gedanken immer tiefer hinein in die traumhafte Melancholie verschwommener Kindheitserinnerungen. Ihre Erwachsenheit erlangt die Musik durch die durchdachten, vielseitig gestalteten Beats, die das innere Kind an die Hand nehmen, ohne eine bevormundende Präsenz in Anspruch zu nehmen. Kidkanevil und Daisuke Tanabe haben ein Album geschaffen, in das man sich versenken kann und aus dem aufzutauchen fast ein wenig irritiert, wenn man sich statt in einer märchenhaften Landschaft im Betondschungel der Großstadt wiederfindet. Bleibt zu hoffen, dass das nicht das einzige gemeinsame Werk der beiden bleibt.
Preview:
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Tracklist:
- IntroOoOoO
- Nanotrees (Out In The Woods)
- Frogs In A Well
- School Chimes
- SGstep
- MoOoOoOn
- Sine Flowers
- Ghostboy
- Tiny Concrete Block
- The Other Day We Thought Of Our Friends…
- Cherry Chimes
- Ghostgirl
- Harmonics Pt1
- Harmonics Pt2
- Super Deformed
- The Last Train (Eki)