Eine gigantische Bilderflut überwältigt die Sinne beim Betreten des ersten Raums der Ausstellung „AES+F. Die Trilogie“ im Martin-Gropius-Bau. Sonne, Strand, Palmen, Marmortempel und Gärten sind geschmückt mit schönen, gut gekleideten Urlaubsgästen, die sich, meist selbstgefällig daliegend, von Dienerschaft umsorgen lassen. Man ist unverkennbar im Paradies. Diese Video-Installation ist das mittlere Herzstück des „AES+F„. Der erste Teil thematisiert die Hölle, der dritte das Fegefeuer.
Dieses Paradies hat aber an vielen Stellen Risse: Die Urlauber gehören allesamt der internationalen Oberschicht an. Sie lassen sich von einem Heer Dienern umsorgen, die überwiegend aus Asien und Afrika stammen. Selbst im Jenseits setzen sich also postkoloniale Machtverhältnisse fort. Auch die Golfschläger in den Händen von Gästen und Dienern lassen eher an Gewalt denken als an einen Entspannungssport.
Betitelt ist die „Paradies“-Installation mit „Gastmahl des Trimalchio„. Damit spielen die vier Moskauer Künstler AES+F auf ein Kapitel des „Satyricon“ an, dem Werk des römischen Schriftstellers Gaius Petronius Arbiter aus Kaiser Neros Zeiten. Es erzählt von einem Sklaven, der durch seine Freilassung zu irrwitzigem Reichtum gelangte. Um die etablierten Oberen der Gesellschaft zu beeindrucken, gibt er ein Gastmahl, das vor plumper Übertreibung nur so strotzt und inszeniert sogar seine eigene Beerdigung. Dafür erntet er nur Hohn und Spott der Honorationen. AES+F haben diese Szenerie ins dritte Jahrtausend transferiert. Der materielle Überfluss in dem künstlichen Paradies erscheint geschmacklos, grotesk und bizarr. An vielen Ecken lauern bereits die Vorboten von Untergang und Zerfall.
Der Besucher kann zwei Wege heraus aus diesem Paradies nehmen: Der linke führt zu „Last Riot“, dem letzten Aufstand, dem ersten Teil der Trilogie. Der rechte zum dritten Teil, „Allegoria Sacra“, der religiösen Allegorie. „Der letzte Aufstand“ zeigt den Kampf der letzten Menschen in einer post-apokalyptischen Welt, der in seiner graphischen Gestaltung Szenen des Ego-Shooter-Spiels „America’s Army“ nachahmt. Hier ziehen keine Gruppen gegeneinander in den Krieg, sondern hier kämpft jeder gegen jeden. Die Natur ist vollkommen zerstört, geblieben sind Sand, Fels und Eis und Jugendliche, die sich auf einem Berggipfel gegenseitig bekriegen. Golfschläger werden im Kampf jetzt eindeutig zu Waffen, zusammen mit Baseballschlägern und Schwertern. Die Jugendlichen wirken seltsam abwesend, erscheinen als seelenlose Hüllen. Sie bewegen sich in Zeitlupe wie in einem Schlachtentanz, mal nach vorne, mal zurück. Einzig die eingespielten Musik-Fragmente aus Richard Wagners „Wallküre“ oder „Götterdämmerung“ schaffen hier Dramatik.
Der Schauplatz des dritten Teils, der „Religiösen Allegorie“, ist ein Flughafen. Ein Ort, an dem sich Menschen begegnen, die sich sonst im Alltag nicht über den Weg laufen. Er steht für das Fegefeuer, einem Ort des Übergangs, in dem nach der Überlieferung Menschen geläutert werden, bevor sie ins Paradies gelangen. Die Passagiere sind Teil einer wild zusammengewürfelten mythologischen Welt: ein Riesendrache schwebt auf eine verschneite Landebahn nieder, im Dschungel tanzen Kannibalen und ein alter Mann mutiert in den Armen von Stewardessen zu einem Säugling. Alles ist relativ in der modernen Zivilisation. Doch am Ende bleiben die Fragen: Wo fliegen sie hin, die vielen verschiedenen Menschen? Wo wollen sie ihr Glück versuchen?
Die drei Video-Installationen bewegen sich zwischen Fotografie, Comic, Fantasyfilm, Videokunst und digitaler Animation. Hin und wieder tauchen Gesichtsausdrücke auf, die authentisch wirken. Auch können einige Motive gesellschaftskritisch interpretiert werden. Doch positioniert sich die Kunst nie eindeutig. Meist gleitet man schlicht durch äshetische Bilder und Farbenrauschen, das durch musikalische Untermalung zu einem gesamtkünstlerischen Multimediaerlebnis wird. Einen tieferen Sinn wollen auch AES+F nicht in ihrer Arbeit vermitteln. Ihre Arbeiten seien eigentlich humorvoll, sagen sie: „Manche Leute fassen unsere Arbeit vollkommen ernsthaft auf, aber korrekter wäre es, darüber einfach zu lachen“.
Empfehlenswert ist es, sich im wahrsten Sinne des Wortes selbst ein Bild zu machen, vor allem, weil im Martin-Gropius-Bau die drei Video-Werke erstmals in Form einer Trilogie an einem Ort zusammen zu sehen sind.
BLN.FM verlost 2×2 Freikarten für die Ausstellung „AES+F. Die Trilogie“ im Martin-Gropius-Bau!
Klicke hier, um mit „AESUNDF” als Kennwort an der Verlosung teilzunehmen. Einsendeschluss ist Sonntag, der 4. 11.2012, 18h!
AES+F. Die Trilogie, noch bis zum 3. Dezember 2012 im Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, Berlin-Kreuzberg, S- und U-Bahn: Potsdamer Platz. Geöffnet täglich außer dienstags von 10 bis 19 Uhr. Eintritt 7 Euro, ermäßig 4 Euro.
(Abbildungen: (c) Courtesy Triumph Gallery)