1, 2, 3 – Musik ab. Yaron legt eine Show für seine auf dem Sofa liegende hochschwangere Frau hin, feiert aber auch sich selbst. Konzentriert bewegt er sich nur mit einem Handtuch bekleidet zu „Radio Hazak“, einem israelischen Hit der 1980er. Diese wohl schönste Szene in „Policeman“, dem ersten Langfilm von Nadav Lapid, zeigt sowohl Yarons zärtliche als auch seine starke Seite. Später bekommt sie einen faden Beigeschmack, wenn er das Lied singt, als er eine minderjährige Kellnerin anbaggert.
Yaron, Hauptfigur in „Policeman“, ist kein einfacher Polizist. Er gehört zu einer israelischen Anti-Terror-Einheit. Zusammen mit seinen vier Kumpels tötet er arabische Terroristen. Die erste Filmhälfte gibt den Zuschauenden Einblick in seinen Alltag: Er grillt mit seinen Freunden, liegt am Tel Aviver Strand, geht zu Beerdigungen und Geburtstagen. Ständig werden Schultern geklopft, machohafte Männlichkeit wird zelebriert.
In der zweiten Hälfte des Films taucht Yaron erst am Ende wieder auf, als er sich auf einen Einsatz vorbereitet. Vier junge Revolutionäre haben drei Milliardäre gekidnappt. Es sind keine Araber, sondern Juden aus der Mittelschicht. Ihre Botschaft lautet: „Es wird Zeit, dass die Armen reich werden und dass die Reichen sterben.“. Doch statt der geforderten Fernsehteams kommt Yarons Einheit. Juden gegen Juden? Lapid bricht in seinem Drama ein israelisches Tabu. Er kündigt den Zusammenhalt unter Juden auf.
Wenige Tage nach dem Kinostart im Juli 2011 begannen in Israel Massenproteste gegen die zu hohen Mietpreise. In israelischen Kritiken wurde der Film deshalb als geradezu „prophetisch“ wahrgenommen. Der Philosoph und Aktivist Yossi Yonah meint, dass der Film es schaffe, den weitverbreiteten Unmut über die Ausbeutung des Landes durch eine kleine Gruppe von Politikern und Unternehmern wiederzugeben. Doch Lapid ist kein Prophet. Die Kluft zwischen arm und reich wird in Israel seit Jahren größer. Das Armutsrisiko steigt. Laut israelischem Statistik-Amt ist es im Vergleich zu jedem Land der EU das höchste.
Das Publikum in Deutschland wird sich im zweiten Teil von „Policeman“ an „Die fetten Jahre sind vorbei“ von Hans Weingartner erinnert fühlen.
Die Ähnlichkeit dürfte kein Zufall sein. Die Idee zum Film entstand nach der Berlinale 2005, auf der auch „Die fetten Jahre sind vorbei“ Premiere feierte. Lapid spricht aber nur über seine Inspiration durch die umstrittene Ausstellung „Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF“: „Es reizte mich, mit den Manifesten von Baader/Meinhof dramaturgisch zu arbeiten“, sagte er der Zeitung Ha’Aretz im Oktober 2011.
Egal, ob Lapid „Die fetten Jahre sind vorbei“ gesehen hat oder nicht: Die zweite Hälfte um die revolutionären Entführer ist misslungen. Die vier Revoluzzer haben weder eine ernsthafte, noch eine witzige Antwort darauf, wie Verteilungsgerechtigkeit im Kapitalismus hergestellt werden kann. Die Protagonisten sind einfach ein „Haufen Kinder, die von ihren Eltern leben und mit Waffen spielen“, wie es einer der Entführten ausdrückt. Im Gegensatz zu Yaron und seine Kumpels sind sie unzureichend porträtiert.
Die wahre Stärke von „Policeman“ liegt in den Alltagsszenen und in der amüsanten Zeichnung israelischer Männlichkeit.
„Policeman“, Israel 2011, Drama, 105 min., ab dem 25. Oktober unter anderem im Kino Zukunft, Laskerstr. 5, Berlin-Friedrichshain, S-Bahn: Ostkreuz