Der pornographische Film genießt im Großen und Ganzen wenig öffentliches Ansehen. Denn was da gezeigt wird, soll für viele hinter der verschlossenen Schlafzimmertür bleiben. Die Macher solcher cineastischen Ergüsse gelten als Perverse, die Konsumenten schlicht und ergreifend als untervögelt.
Dabei ist Porno überall. Vor allem das Internet hat in den letzten Jahren den abgefilmten Geschlechtsakt allgegenwärtig gemacht. Die Videos gibt’s nicht mehr im abgedunkelten Kabinenkino oder in der hintersten Ecke der Videothek. Auf diversen Internetseiten sind Pornos mit „gynäkologischen Großaufnahmen“ und anderen Detailstudien sexueller Vorgänge verfügbar: jederzeit kostenlos.
Dass die Darstellung von Sex durchaus auch ästhetischen Wert haben kann und Pornofilme nicht auf Inhalt verzichten müssen, beweist auch 2012 das Pornfilmfestival, dass bereits zum siebten Mal vom 24. bis 28. Oktober im Moviemento stattfindet. Die hier gezeigten Spiel- und Dokumentationsfilme befassen sich ausführlich und explizit mit der menschlichen Sexualität. Dabei zeichnet sich die Auswahl durch eine große inhaltliche Bandbreite aus: es gibt Hardcore-S/M-Orgien für Liebhaber und komödiantische Softpornos aus deutscher Produktion. Aber auch kontroverse Themen wie Pädophilie werden angepackt.
Wir haben für euch einen Blick ins Programm geworfen und stellen euch ein paar Höhepunkte vor.
Chroniques sexuelles d’une famille d’aujourd’hui
Die Familie ist häufig der Rahmen, in der Sexualität am meisten praktiziert, aber zugleich am wenigsten darüber gesprochen wird. Der Eröffnungsfilm „Chroniques sexuelles d’une famille d’aujourd’hui“ („Sexuelle Chroniken einer Familie von Heute“) erzählt von einer französischen Familie, die die Scham, offen über sexuelle Belange zu reden, abwirft. Ausgelöst wird dies durch Romain, der dabei erwischt wird, wie er sich beim Masturbieren im Biologie-Unterricht mit dem Handy filmt. Das führt zu einer Kette unerwarteter Enthüllungen über das Sexualleben der unterschiedlich alten Protagonisten.
„Chroniques sexuelles d’une famille d’aujourdhui“, Frankreich 2012, 82 min. zu sehen am 24. Oktober um 21:00 Uhr
Momy Is Coming
„Momy Is Coming“ (BLN.FM berichtete) ist das aktuelle Werk von Cheryl Dunyes, die als Kultregisseurin des lesbischen Films gilt. Dunye vermischt Einblicke in die Welt des lesbischen Fetisch-Sex in Berliner Underground-Clubs mit einer Verwechslungskomödie. Ergebnis ist ein urkomischer Spielfilm, der das weniger eingeweihte Publikum schon allein durch die schiere Menge unterschiedlicher Spielzeuge und Praktike verblüfft, mittels denen Frauen miteinander Spaß haben können.
„Mommy Is Coming“, Deutschland 2012, 65 min., zu sehen am 26. Oktober um 11:15 Uhr und am 27. Oktober um 23:15 Uhr
Golden Age of Porn
In der Sektion „Golden Age of Porn“ zeigt das Festival Filme aus den 1970ern und frühen 1980ern. In diese Periode fallen die Werke ambitionierter Pornofilmer wie Radley Metzger und Wakefield Pole. Sie verbindet der politische und ästhetische Anspruch, Sexualität kunstvoll und abseits der Konventionen auf die Leinwand zu bringen. Pooles „Boys In The Sand“ ist einer der ersten schwulen Hardcore-Pornofilme, wurde ein Kassenschlager und löste ein breite öffentliche Debatte aus. Im Kontrast dazu stehen deutsche und französische Softporno-Produktionen der 1980er wie „Exzesse in der Frauenklinik“ und „Lass Jucken, Kumpel!“. Diese Hits der damaligen Bahnhofskinos leben mehr vom peinlichen Witz als durch die aufgeilende Wirkung der Sexszenen.
unter anderen: „Lass Jucken, Kumpel“, BRD 1972, 95 min., zu sehen am 28. Oktober um 17:00 Uhr
(A)sexual
Die Dokumentation „(A)sexual“ versucht Fragen zu klären, ob Asexualität eine eigenen sexuelle Ausrichtung ist. Sind Menschen, die Sex komplett ablehnen, normal? Wie gehen jene, die sogar Beziehungen und Partnerschaft ablehnen durchs Leben?
“ (A)sexual“, USA 2011, 75 min, zu sehen am 25. Oktober 17:00 Uhr und am 27. Oktober um 11:15 Uhr
Pornographie & Holocaust
Die Dokumentation „Pornographie & Holocaust“ thematisiert ein seltsames kulturelles Phänomen. In den 1960er erschienen in Israel Groschenhefte, in denen es um S/M-Sex vor KZ-Kulissen ging. Damit wurden gigantische Auflagen erzielt. Der Film versucht herauszufinden, warum die Heftchen reißenden Absatz fanden unter Menschen, die die Schreckenslager teilweise selbst durchlitten haben und nahe Angehörige verloren hatten.
„Pornographie und Holocaust“, Israel 2008, 63 min., zu sehen am 26. Oktober 11:45 Uhr
„Pornfilmfestival“ vom 24. bis 28. Oktober im Moviemento, Kottbusser Damm 22, Berlin-Kreuzberg, U-Bahn: Schönleinstraße