Auch wenn der Titel „Rave Age“ auf hedonistisches Feiern und somit die Gesinnung einer Generation verweist, als Motto für das aktuelle Album von Vitalic ist er irreführend. Der Raver ist beim Partymachen nicht willens allzu viel Information wie Harmonie- und Stimmungswechsel zu verarbeiten — dies würde dem Prinzip des völligen Loslassens widersprechen. Gerade mit dem für Techno-Künstler typischen Anliegen aus Tracks vollständige Songs zu schmieden, macht es Vitalic dem Raver schwer sich nur den Schlüsselreizen hinzugeben. Was im Fall einer richtigen Band wie Soulwax funktioniert hat, wirkt beim Solokünstler Vitalic unter Einsatz von Gastvokalisten nur teilweise gefühlsecht.
Auch beim Vorgänger „Flashmob“ war bereits der Ansatz von Songstrukturen durch Lyrics vorhanden. Allerdings wurden die Stimmen darauf so verfremdet, dass sie dem Elektrogewitter standhielten. Im Fall von „Rave Age“ vollzieht Vitalic die Hinwendung zu einem erhöhten Mitsing-Faktor nur halbherzig. Mit „Rave Kids Go“ verfügt das Album über einen musikalisch perfekten Opener, der mit seinem Stadionrock-Appeal gleich mitzureißen vermag. Durch Mickael Karkousse, dem Sänger der belgischen Elektro-Rocker Goose, wirkt dieser Track allerdings wenig identitätsstiftend, ähnelt er dem Material von Karkousses eigener Band doch allzu sehr. „Fade Away“ verblasst mangels eingängiger Hookline dagegen sprichwörtlich und kann das verzweifelte Scheitern eines Indie Dance-Songs nicht verbergen. Ganz anders dagegen funktioniert „Under The Sun“ mit Rebeka Warrior von Sexy Sushi als Ladytron-Ersatz hervorragend. Nur ist die Nachbarschaft, die sich aus dem bekannten Vokabular aller Vorgänger zusammensetzt, nicht der passende Kiez für Pop-Sensibelchen wie eben genannte Beispiele. Als Hommage an Synthieprog-Veteranen wie Jean Michel-Jarre will auch „Nexus“ nicht so recht in die Umgebung passen, welche von Breitwandbässen und Rave-Arpeggios bestimmt wird.
Genau diese versöhnen schließlich all diejenigen, die sich auf die Einlösung des Titelversprechens gefreut haben. „No More Sleep“ und „Next I’m Ready“ stehen mit beiden Beinen auf dem Acker, wo zig-tausend Technokids keinen Halm mehr stehen lassen. Hier besinnt sich Vitalic auf seine Fähigkeit des dramaturgisch geschickten Einsatzes von Mitteln, um eine Faust in die Höhe schnellen zu lassen. Zusammen gefasst ist Album Nummer drei die berühmt berüchtigte schwere Geburt im Katalog eines Künstlers, der sich fortentwickeln möchte, dies aber nur inkonsequent umsetzt, um die alten Hörer nicht zu verprellen. Man möchte glauben „Rave Age“ sei ein Interims-Album, das den Weg in eine Richtung weist, die mit einem Nachfolger eindeutig zu bestimmen wäre.
Preview:
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Tracklist:
- Rave Kids Go
- Stamina
- Fade Away
- Vigipirate
- Under Your Sun
- No More Sleep
- Nexus
- The March Of Skabah
- Lucky Star
- La Mort Sur Le Dance Floor
- Next I’m Ready
- The Legend Of Kaspar Hauser