Warten auf’s Heim

Der Umzug in eine neue Stadt ist häufig mit Euphorie und Lust auf einen neuen Lebensabschnitt verbunden. Auch ein Auszug aus der langjährigen WG in ein eigenes Reich ist ein großer Schritt. In Berlin stehen junge Menschen jedoch nicht nur vor dem Problem, den Umzug selbst zu organisieren. Meist entwickelt sich schon die Suche nach einer neuen Bleibe zu einer kleinen Katastrophe. Keine deutsche Stadt ist unter jungen Menschen, Abiturienten und Studenten so begehrt wie die Hauptstadt. Laut Angaben des Studentenwerks Berlin waren hier im Wintersemester 2011/2012 158.731 Studenten immatrikuliert – ganze 3,7 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. Mit dem Beginn des Herbstsemesters 2013 setzt sich diese Tendenz fort.

Die Gründe dafür: keine Studiengebühren, eine lebendige Kulturszene und ein pulsierendes Nachtleben. Bis vor nicht allzu langer Zeit lockten auch bezahlbare Mieten nach Berlin. Aber das Wohnparadies für Studenten ist dabei, zu zerbröckeln. Die Mieten steigen seit Jahren, die WG-Zimmer werden anhand immer strengerer Auswahlverfahren vergeben. Und die Wohnungssuchenden selbst haben ja auch noch Ansprüche. Viele weichen mittlerweile auf Studentenwohnheime aus. Doch selbst hier sind mittlerweile Nerven gefragt.

Den Studierenden stehen, Aussagen von Jürgen Morgenstern vom Berliner Studentenwerk zufolge, 9.456 Plätze in 35 Wohnheimen zur Verfügung. Hinzu kommen noch Wohnheime anderer Betreiber. Trotzdem heißt es bei der Suche nach einer Unterkunft erst einmal: Warten. Das Wohnen im Studentenwohnheim ist so gefragt, weil die monatliche Durchschnittsmiete 188 Euro beträgt. Das passt in jedes studentische Budget und lässt noch genug Geld zum Leben übrig. 900 Studierende befinden sich derzeit auf der Warteliste. Bis November werde jeder Zweite für sein Warten mit einem Wohnheimplatz belohnt, verspricht Morgenstern.

Dass Studenten es so schwer haben, an einen Wohnheimplatz zu kommen, war nicht immer so. Die Situation habe sich erst in den vergangenen zwei bis drei Jahren zugespitzt, sagt das Berliner Studentenwerk. Der Run auf die Wohnheimplätze komme daher, dass es zunehmend schwieriger werde, eine Wohnung in der Berliner Innenstadt zu bekommen, meint Morgenstern. Aber auch die Studentenwohnheime selbst seien durch Modernisierung attraktiver geworden. Und dass man mit Menschen aus vielen Ländern zusammenwohne, komme dem Lebensgefühl vieler Studierender entgegen.

Von allen Studierenden an Berliner Hochschulen leben sieben Prozent in Wohnheimen. Eine Unterkunft dort kann von jedem angemietet werden, der an einer der staatlichen Hochschulen immatrikuliert ist, mit denen das Studentenwerk Berlin Verträge hat. Vorausgesetzt natürlich, es ist noch ein Zimmer frei. Waren Wohnheime vor einigen Jahren als provisorische Übergangslösung verpönt, so sind sie heute immer öfter die dauerhafte Heimat vieler Wahlberliner. Nach der ersten Zeit in der Hauptstadt und der Orientierungsphase finden viele Leute weder eine Wohnung noch ein WG-Zimmer, da die Preise von Jahr zu Jahr steigen.

(Foto: Cindy Böhme)