Viele zittern vor 2013, nicht nur wegen der diversen Weltendszenarien zum Ende des Jahres 2012, sondern weil sie um ihre Lieblingsclubs bangen. Werden Berghain und Co wegen der neuen GEMA-Tarife schließen? Längst wird das Verfahren kritisiert, durch welches die GEMA ermittelt, wieviel die Clubs ihr schulden. 10% der Musik, die durch die Stichproben mithilfe von “black boxes” in Clubs gespielt wird, kommt nach Eigenangaben der GEMA in die Schublade “unbekannt” (mehr dazu hier). Aber Gebühren müssen trotzdem gezahlt werden, denn die GEMA geht davon aus, dass es sich auch bei „unbekannten“ Musikern wahrscheinlich um einen ihrer Künstler handelt, der sich vielleicht hinter einem Pseudonym versteckt. Klingt komisch? Ist aber so.
So funktioniert’s
Das gesamte Modell steht und fällt mit der sogenannten GEMA-Vermutung. Die bestimmt, dass bei bestimmten Nutzungen von Musik die Vergütungsansprüche durch die GEMA wahrgenommen werden. Die GEMA tritt immer auf den Plan, wenn Musik öffentlich gespielt oder im Radio gesendet wird und möchte Geld für das Abspielen sehen. Sie muss dabei nicht beweisen, dass das einzelne Musikstück von einem Künstler kommt, der bei ihr Mitglied ist. Im Gegenteil: die Nutzenden, also die Veranstalter müssen belegen, dass sie keine Stücke aus dem GEMA-Repertoire abspielen. Juristen nennen das “Beweislastumkehr”. Sie ist ein Sonderfall, denn normalerweise gilt: wer etwas will, muss auch nachweisen, dass er ein Anrecht darauf hat.
Hintergrund dieser Regelung war, dass es vor Jahrzehnten zu umständlich war, genau abzuklären, ob jedes einzelne Musikstück, das bei einer Party, auf Festen und zu anderen Anlässen gespielt wird, wirklich von einem GEMA-Mitglied kommt. Mehrmals fällten Gerichte dann Urteile zugunsten der GEMA-Vermutung. Doch ist diese Regelung noch zeitgemäß? Mittlerweile veröffentlichen Künstler ihre Musik auch ohne etwas mit der GEMA zu tun zu haben. Diese Musik wird auch in Clubs gespielt und für Compilations zusammengestellt. Doch auch hier taucht die GEMA auf: Erst kürzlich forderte sie von den Herausgebern eine Compilation, die unter Creative Commons veröffentlichen, dass sie die wahren Namen der Mitwirkenden nennt, damit sie abgleichen kann, ob es sich dabei nicht um GEMA-Mitglieder handelt.
Guilty Until Proven Innocent
Wenn man beweisen könnte, dass es längst eine Anzahl von Musikern gibt, die nicht von der GEMA vertreten werden, dann wäre eine solche GEMA-Vermutung hinfällig. Aus diesen Grund wurde zum wiederholten Mal Ende August 2012 eine Online-Petition beim Bundestag vorgebracht. Bis zum 18. Oktober konnte Initiator David Henninger unterstützt werden. Der forderte, dass der §13c des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes gestrichen werden soll, der die juristische Grundlage für die Vorgehensweise der GEMA sei. Henninger begründet, dass §13c veraltet sei, denn die GEMA mit ihren 57000 Mitgliedern umschließe “nur einen geringen Bruchteil der international und vor allem im Internet vertretenen Künstler”.
Ähnlich sieht das auch die Clubkommission in Berlin. Im August 2012 nahm sie eine Stichprobe vor, um herauszufinden, wie hoch der Anteil der GEMA-pflichtigen Tracks im laufenden Programm Berliner Clubs wie Watergate, Weekend und Co an einem normalen Wochenende ist. Die Clubkommission schrieb über mehrere Stunden die Tracks auf, die GEMA sollte herausfinden, welche von den Musikstücken von Künstlern stammten, die von ihr vertreten werden. Nach vier Wochen fiel das Ergebnis ernüchternd aus: etablierte Künstler im Clubbereich wie Adam Port, Solomun oder Douglas Greed waren der GEMA unbekannt. So zog die Clubkommission Berlin das Resumee, dass “bei 35 Prozent der Titel der Nachweis einer Mitgliedschaft von der GEMA nicht erbracht werden konnte”.
Linkspartei fordert GEMA-Vermutung nur für bestimmte Musikrichtungen
Doch diese Stichprobe soll nur der Anfang sein, um endlich harte Fakten zu bekommen, wieviel Prozent der Musiker im Clubbereich durch die GEMA vertreten werden. Im Internet sammelt seit einigen Wochen die Technostudie mit Unterstützung von Clubcommission, Labels und Szenezeitschriften Playlisten, um diese auswerten zu können. Auch politisch regt sich was. Die Piratenpartei unterstützte die Petition gegen §13c von Anfang an. Die Bundestagsfraktion der Linkspartei reichte am 17. Oktober einen Antrag ein, in dem verlangt wird, dass die GEMA-Vermutung nur gelten solle, „wenn 95% der Werke eines Genres durch eine Verwertungsgesellschaft vermarktet werden.“
Die Petition von David Henninger gegen die GEMA-Vermutung hat einen Tag vor dem Ende der Zeichnungsfrist mehr als 50000 Unterzeichner erreicht. Somit wird sie im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages besprochen. Ob die Regierungsparteien CDU und FDP auf die Forderungen der Petition eingehen und das entsprechende Gesetz überarbeiten, bleibt offen.