Die Rumpelkammer eines Kunstrebellen

Paul McCarthy: The Box. Foto: Neue Nationalgalerie

Der Aktionskünstler Paul McCarthy ist als Bad Boy bekannt. Für dieses Image hat er Einiges getan: Er tauchte seinen Kopf erst in Farbe und später in Fäkalien. Er hat beeindruckende Plastiken geschaffen: zum Beispiel einen Weihnachtsmann mit Dildo in der Hand. Schneewittchen stellte er als Konsumgöttin dar, umringt von einer impotenten Zwergenschar. Und George W. Bush hat er gemalt, wie er es mit einem toten Schwein im Dreck treibt. Die Neue Nationalgalerie stellt bis zum 4. November das Arbeitszimmer des Künstlers aus. Paul McCarthy bezeichnet es selbst als sein „Gehirn“. Wie es darin wohl aussieht?

Paul McCarthy: The Box. Foto: Neue Nationalgalerie

Wer in der Neuen Nationalgalerie „Rock ’n‘ Roll“ erwartet, wird enttäuscht. Denn da steht lediglich eine langweilige sechs Meter lange Holzbox, die man nicht mal betreten darf. Hineinschauen ist dann aber doch erlaubt. Die Fenster wirken wie Bilderrahmen und gewähren Einblicke in das Studio des Skandalkünstlers, in dem bis 1999 viele von McCarthys Arbeiten entstanden. In der Kiste hatte er Ideen für Video- und Performance-Orgien mit Ketchup, Mayonnaise und Körperflüssigkeiten und produzierte sexistischen Schweinkram mit Barbie und Micky Maus. Im Museum jedoch sind in der Box nur um die 3.000 stinklangweilige Objekte befestigt.

Paul McCarthy: The Box. Foto: Neue Nationalgalerie

Paul McCarthy, der schonungslose Künstler, legt alles offen: Tische, Geräte, Werkzeuge, Kisten, Fernsehmonitore, Stifte, Bücher, Videokassetten, Fahrradhelme. Was aber fehlt, sind die comicartigen Figuren mit den riesigen Tomatenköpfen oder überdimensionalen Geschlechtsteilen, von denen man angesichts seiner Werke vermutete, dass sie auf jeden Fall eine Rolle in seinem Schaffensprozess spielen. „The Box“ ist damit von innen genauso spannend wie von außen, selbst wenn alles um 90 Grad gedreht und in die Vertikale gebracht wurde. Immerhin: Das Raumerlebnis bleibt befremdlich, auch wenn man den Kopf neigt um die Drehung rückgängig zu machen. Schwindelig wird einem, wenn man sich die veränderte Wahrnehmung vor Augen führt: Der Boden war ursprünglich die linke Wand, die wiederum durch das, was einst die Decke war, ersetzt wurde. Dementsprechend befindet sich nun rechts, was vorher der Atelierboden gewesen ist.

Bei genauerem Hingucken lassen sich dann doch noch ein paar verstümmelte Gummipuppen im Chaos finden. Sogar ein kleines Highlight taucht zwischen all dem Ramsch auf: eine der Pinocchio-Masken, die vielleicht sogar McCarthy selbst in der Video-Performance „Pinocchio Pipenose Household Dilemma“ trug.

Und wie kommt die bühnenartig wirkende Raumcollage „The Box“ so an? Einige Besucher finden es originell, dass so etwas „Normales“ wie ein Arbeitszimmer in einer Ausstellung gewürdigt wird – und durch den Perspektivwechsel Befremden erzeugt. Es gibt aber auch andere Stimmen. Wolfgang, 54, bewacht die Kunstkiste: „Also ick hab‘ Ihnen ja jesacht, dat se meine Meinung nich‘ hören wollen. Aber für mich is‘ dit keene Kunst, wissen Se?! Für mich is‘ dit ’nen Keller. Nur uff de Seite jedreht.“

Paul McCarthy „The Box“, Installationskunst bis zum 4. November, Öffnungszeiten: Di-So 10-18h, Do 10-22h, Sa-So 11-18h, Eintritt: „The Box“ ist frei zugänglich, Museumskarte 10.-€, Neue Nationalgalerie Berlin, Potsdamer Straße 50, Berlin-Mitte, U-/S-Bahn: Potsdamer Platz

(Fotos: Neue Nationalgalerie Berlin, Jessica Schmidt)