War ja klar: Just, als das Publikum auf dem Weg zur Wuhlheide war, zogen düstere Wolken auf und ließen einen heftigen Schauer niederregnen. Genau wie 2008, beim letzten Open-Air-Konzert, als Radiohead unter dramatischem Sturmhimmel spielten und den Dauerregen damit kommentierten, dass er ja zumindest zur Musik passe. Dieses Mal blieb es dann doch trocken, teilweise war der Himmel sogar sternenklar. Dank des zähen Einlasses füllten sich die Ränge nur langsam mit etwa 17.000 Leuten. Die Verschiebung von Juli auf Ende September sorgte dafür, dass beide Konzerte nicht mehr ausverkauft waren.
Vielleicht hätte Caribou als Support auch besser in den Sommer gepasst, für Herbst und für Radiohead war die Musik eigentlich ein wenig zu poppig. Mühe gegeben hat sich Daniel V. Snaith aber schon, eine ganze Band hatte er dabei und auch eine ansehnliche Lichtshow war zu sehen. Die Bühne war bereit, die Stimmung vielversprechend.
Thom Yorke trug Vollbart und Zopf, die Band war wortkarg, aber gut gelaunt. Abgesehen vom obligatorischen Piano war nur klassisches Rock-Equipment aufgebaut, Jonny Greenwood hat seinen Maschinenpark größtenteils zuhause gelassen. Dementsprechend gitarrenlastig war die musikalische Auswahl, zahlreiche Stücke der letzten beiden Alben, einige unbekanntere Sachen und ein paar Klassiker wurden gespielt. „Creep“ war übrigens nicht dabei, dafür aber „Paranoid Android“, bei dem das bunt durchmischte Publikum im Chor mitlitt.
Überhaupt: Wenn Thom Yorke singt, liegt sich das Publikum schluchzend in den Armen, wenn er ein besonders ruhiges Stück anstimmt, sind auch schon mal 17.000 Leute in der Wuhlheide still. Ehrfurcht und Ergriffenheit waren die bestimmenden Gefühle des Konzerts – wie immer bei Radiohead. „Sind dit schöne Momente oder sind dit schöne Momente?“, fragt jemand rhetorisch, als eine weitere Welle Weltschmerz in Moll von der Bühne schwappt.
Extra schön wurden die Momente auch durch ein beeindruckendes Lichtdesign, das sich bei Caribou schon angedeutet hatte. Vollkommen in Farbe getaucht war die Band, ein riesiger Screen im Hintergrund sorgte für atmosphärisches Licht und ein Mosaik quadratischer Bildschirme unter dem Bühnendach für Einsichten. Dort nämlich wurden Bilder zahlreicher fest installierter Kameras eingeblendet, ein ständiger Bilderfluss von Nahaufnahmen der Musiker, aus verschiedenen Perspektiven gleichzeitig. Eine hervorragende Idee, die den Eindruck von Studio-Intimität schuf. Eine schlechte Idee hingegen war der zwischen den Stücken eingeblendete QR-Code, der zu weit weg und zu hell war, um von irgendeinem Handy gelesen zu werden.
Zwei Zugaben spielte die Band und beendete das Konzert mit einem Filetstück: „Everything In Its Right Place“ und „Idioteque“ im Doppelpack, eingeleitet von einer wunderbaren Passage aus „Unravel“ von Björk. Glückliche Gesichter nach über zwei Stunden exquisiter Melancholie und auf die Zwölf, wie in etwa bei „Myxamatosis“. Und das, obwohl das Konzert eigentlich keine Sternstunde der Spielfreude war. Vielleicht war es der Schatten des erschütternden Bühnenunfalls, der zur Verlegung der Konzerte geführt hatte, vielleicht auch die Erschöpfung einer Welttour: Radiohead haben ihren Auftritt recht routiniert absolviert und geliefert, was man von ihnen erwartet. Wer jedoch so aus dem Vollen schöpfen kann wie das über alles erhabene englische Quintett, wird sein Publikum auch an schwächeren Tagen nicht enttäuschen. Vielleicht wird der zweite Termin ja etwas frischer. Dafür aber hatten wir den Vollmond.
Fotos: Jana Burmeister (cc)