Ein Montagabend im September 2012 im Radialsystem am Ostbahnhof. In der umgebauten Maschinenhalle diskutieren die Initiatoren des alternativen Stadtentwicklungprojekts Holzmarkt und Politiker verschiedener Parteien über Chancen für die Verwirklichung eines Kulturdorfes an der Spree auf dem ehemaligen Gelände der Bar25. In den letzten Monaten wurde das Projekt in der Öffentlichkeit als Favorit für die Übernahme des Geländes gehandelt, das der Berliner Stadtreinigung BSR gehört. Doch seitdem als neuer Mitbewerber der Immobilienunternehmer Abris Lelbach aufgetaucht ist, der gleichzeitig auch im Aufsichtsrat der BSR sitzt, kämpft das Kulturprojekt um seine Favoritenposition. (BLN.FM fasste zusammen.)
Im Berliner Senat vertritt man die Auffassung, dass ein kulturelles Angebot mehr wert ist als das höchste finanzielle Angebot. Das weiß auch Mitbewerber Abris Lelbach, der in seinem Konzept kulturelle Nutzungen ermöglichen will. Der Einfluss der Politik auf das Vergabeverfahren ist ohnehin begrenzt, denn vergeben wird das Grundstück durch die BSR an den Meistbietenden. Die Holzmarkt-Genossenschaft hat zwar für das gesamte Grundstück das höchste Angebot abgegeben. Doch andere Mitbewerber bieten nur auf Teile des Grundstücks: die Summe der Teilgebote der Konkurrenten übersteigt das Angebot der Bar 25-Macher, so dass sie in diesen Fall nicht mehr die finanziell Meistbietenden sind.
Gerade das Gesamtkonzept für das komplette Gelände sehen viele Politiker als Vorteil für die Holzmarkt-Genossenschaft, sagt der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg Frank Schulz (B’90/Die Grünen) bei der öffentlichen Diskussion am 24.9.2012. Er will, dass die Bebauung des Geländes nicht mehr als die Hälfte des Geländes umfasst. Die Gestaltung soll urban und voller Leben sein. Dazu läßt er den Bebauungsplan des Spreeufers ändern.
Die BSR ist ein landeseigenes, juristisch eigenständiges Unternehmen. Sie verkauft ihre Immobilien ohne dass der Senat aktiv eingreifen kann. Der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Goiny, gibt deshalb zu bedenken, dass die BSR durch die Politik überzeugt werden muss und nicht gezwungen werden kann. Politiker wägen dabei ab, ob sie Einfluß nehmen wollen:„Niemand möchte, dass die BSR ihre Müllabfuhrgebühren erhöht, um einen Holzmarkt-Verlust zu kompensieren.“
Noch deutlicher äußert sich die Sprecherin der BSR, Sabine Thümler, am Tag nach der Diskussion gegenüber BLN.FM. Die BSR sei nach dem Berliner Betriebe-Gesetz dazu verpflichtet, bei der Vergabe von Grundstücken nach rein kaufmännischen Gesichtspunkten vorzugehen. Im Klartext meint das: das Grundstück geht an die Meistbietenden.
Elf Bieter haben ihre Gebote für das Gesamtgelände und für die Teilgrundstücke abgegeben, die Stadt Berlin gehörte nicht dazu. Übrig geblieben sind nach dem August zwei Bieter für das Gesamtgrundstück, zwei für die Nordhälfte und vier für den Südteil. Bis zum 26.9.2012 können noch Letztgebote hinterlegt werden. Bei der Aufsichtsratssitzung am 17. Oktober werden die Bietergebote verglichen. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) mahnt ausdrücklich ein transparentes Vergabeverfahren durch die BSR an. Die anderen Fraktionen im Abgeordnetenhaus unterstützen ihn. Doch ob die BSR die Zweifel an einer fairen Entscheidungsfindung beseitigen kann, solange noch ein Mitglied des Aufsichtsrats zu Bietenden gehört? Selbst wenn Abris Lelbach an den Entscheidungen nicht beteiligt ist, die Lunte für einen neuen stadtpolitischen Konflikt scheint gelegt.
Die Holzmarktdorf-Initiatoren stehen jedenfalls nach wie vor hinter ihrer Idee: Christoph Klenzendorf betont die Einzigartigkeit des Konzepts. Steffi-Lotta betont die Auswirkungen auf das gesamte Stadtviertel. Und Juval Dieziger beschreibt den anstrengenden Weg, den die Initiatoren beschritten haben, um Unterstützung für ihre Idee zu finden: „Ich weiss gar nicht, mit wievielen Leuten ich essen war, um sie zu überzeugen uns finanziell zu unterstützen. Und das sieht man!“ Dabei zeigt er auf seinen Bauch.
(mit Alexander Koenitz, Abbildungen aus der Präsentation der Holzmarkt eG)