Hat Amerika ausgeträumt?

Bombay Beach / Bild: Rapideye Movies

Der Salton Sea in Kalifornien entstand vor etwa hundert Jahren bei einem Dammbruch. In den Fünfziger und Sechziger Jahren entdeckten Scharen von Erholungssuchenden den Wüstensee für sich. An seinen Ufern wurde planiert und gebaut, es entstanden Feriensiedlungen wie Bombay Beach. Heute, fünfzig Jahre später, ist der See versalzen und umgekippt. Nach Bombay Beach verirrt sich kaum noch jemand und schon gar nicht, um hier Urlaub zu machen. In gammeligen Wohnwagen und Häusern leben noch knapp hundert Menschen. Sie sind Repräsentanten des Amerikas, das schon bessere Zeiten gesehen hat. Die Unterschicht, die wie eine Gruppe Aussätziger mitten in der Wüste lebt.

Die isrealische Fotografin und Videokünstlerin Alma Har’el zeigt diesen Ort in ihrer gleichnamigen Dokumentation als surreales Märchenland. Surreal, weil die Wärme und Menschlichkeit der fünf Protagonisten nicht so recht zu dem heruntergekommenen Umfeld passen wollen.

Bombay Beach / Bild: Rapideye Movies

Da haben wir den sechsjährigen Benny, der von Ritalin abhängig ist, und seine waffenvernarrten Eltern. Die saßen beide im Gefängnis, weil sie sich in der Wüste ihr eigenes Armee-Trainingscamp aufgebaut hatten. Sie erklären, sie hätten nichts Böses gewollt, sondern nur ihre für Amerikaner typische Affinität zu Waffen ausgelebt. So martialisch dies zunächst klingt, so entpuppen sie sich doch als liebevolle Familie mit Wünschen und Träumen.

Der sechzehnjährige CeeJay ist aus Los Angeles nach Bombay Beach geflohen, nachdem sein Cousin von einer rivalisierenden Gang ermordet wurde. Er erlebt die erste Liebe und trainiert für eine bessere Zukunft als Football-Profi. Red dagegen ist Rentner. Früher hat er auf Ölfeldern gearbeitet, heute hält er sich mit dem Verkauf von Zigaretten über Wasser. Er sagt: „Mein Vater hat immer erzählt: ‚Je härter du arbeitest, desto reicher wirst du.‘ Aber er hat nicht gesagt, ob er damit Geld oder Erfahrungen meinte.“ Diese Worte wirken fast schon tröstlich angesichts der Umstände. Denn der “American Dream“ hat sich für die Bewohner von Bombay Beach schon lange ausgeträumt.

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Bild: Rapideye Movies

Der Zuschauende fühlt sich derweil selbst wie in einem Traum, wie an einem Ort, der nicht von dieser Welt ist. Gerade dieses Träumerische und das Fehlen eines stringenten Plots sind es aber auch, die den Film bisweilen in die Länge ziehen. Dennoch überzeugt die Doku mit beeindruckenden und poetischen Bildern. Unterlegt mit der Musik von Bob Dylan und Beirut erzählt Regisseurin Alma Har’el von einer Gemeinde, die mit der Kraft der Menschlichkeit und des Zusammenhalts in einer Geisterstadt ihr eigenes Märchen lebt.

Bombay Beach, USA 2011, Dokumentation, 80 min. ab dem 27. September unter anderem im  Kino in der Brotfabrik,  Caligariplatz 1, Berlin-Weißensee, Straßenbahn (M13, M2): Prenzlauer Allee/Ostseestraße